Suchtprävention U25 in SGB II Projekten des Job Centers

Ende 2017 hat das Kreis-Jobcenter vermehrt Rückmeldungen von Trägern von beruflichen Integrationsmaßnahme U25 erhalten, dass bei einigen Teilnehmern ein vermehrter Konsum von Suchtmitteln festzustellen sei und in Einzelfällen bereits eine Abhängigkeitsproblematik möglich erscheint.

In Absprache mit dem SKM Bocholt wurde zur Verbesserung der Integrationschancen dieser Zielgruppe ein aufsuchendes Suchtberatungsangebot zunächst im Umfang einer 0,5 Stelle für die Region Bocholt, Rhede, Isselburg in den Maßnahmen implementiert. Aufgrund der hierbei nochmals bestätigten Bedarfe, aber auch aufgrund guter Beratungsergebnisse kann dieses suchtpräventive Angebot 2022 auf den gesamten Südkreis im Rahmen einer 1,0 Stelle ausgeweitet werden.

Es hat sich im Beratungskontakt herausgestellt, dass ein Teil der Maßnahmeteilnehmer schon früh im gesundheitsgefährdenden Umfang zu Suchtmitteln greift, bzw. aus Familien kommt, in denen der Konsum von Suchtmitteln prägend ist. Unmittelbare, aber auch die mittelbare Betroffenheit stellen erhebliche Integrationshindernisse bzw. Integrationsrisiken dar. Hinzu kommen oft weitere psychosoziale Problemlagen, die noch nicht von anderer Stelle aufgefangen werden konnten und im Rahmen des Moduls bearbeitet werden. Hierzu zählen beispielsweise erhebliche motorische Unruhe, depressive bzw. aggressive Problematiken, Stimmungsschwankungen der Teilnehmer u.a.m.
Die Bandbreite der Konsumstoffe reicht vom Alkohol zu nahezu allen illegalen Drogen bis zur Mediensucht, dem pathologischen Glücksspiel bzw. die pathologisch ausgeübten Sportwetten. Von Jahr zu Jahr nimmt zudem die Problematik eines abhängigen Verhaltens am Smart-Phone (nicht nur) bei dieser Zielgruppe zu.

Die betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollen durch das Angebot zu einer Konsumfolgeabschätzung aber auch ggf. zu einer Verhaltensänderung befähigt werden. Wenn erforderlich werden sie z.B. ermutigt, Rückzugstendenzen in dysfunktionale Milieus entgegenzuwirken und verstärkt wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Wenn nötig werden Entzugs- oder Entwöhnungsbehandlungsmaßnahmen vorbereitet.

 


U 25 Projekt (ALG II)

Er ist sehr laut in den Gruppen, die an der Berufsbildungsstätte wöchentlich stattfinden. Er steht gerne im Mittelpunkt, fällt sofort auf. Bei den Lehrern, den Ausbildungsbegleitern und auch bei mir zunächst jedoch eher negativ. Es fällt schwer, ihm zu folgen, ihn dazu zu bewegen, sich an Gesprächsregeln zu halten. Hier und da bricht der harte Kern auf und er berichtet, wenn auch nur kurz, von seiner Familie und den Streitereien, denen er sich zu Hause ständig ausgesetzt sieht. Er konsumiert viel und gerne Drogen. Ist sehr risikobereit und prahlt damit, was er alles schon „probiert“ hätte. Ich erkenne ihn als „Experten“ an, frage ihn häufig nach seiner Einschätzung zu bestimmten Suchtstoffen. Nun steht er auch im Mittelpunkt. Aber zunehmend positiver. In seinen Erzählungen kann er seine eigenen Erfahrungen einbauen. Hier wird er oft ernst und beschreibt anschaulich die Risiken, die der Konsum mit sich bringt. Sein auffälliges, provozierendes Verhalten weicht einer Neugier in den Gruppen. Als ich nach Freiwilligen frage, die eine kommende Gruppensitzung vorbereiten und moderieren wollen, meldet er sich als Erster. Ich bin erstaunt und spiegele ihm seinen Mut. Etwas verlegen ist seine Reaktion, aber man sieht ihm seine Vorfreude an. Die Gruppe unter seiner „Leitung“ ist ein voller Erfolg! Er hat sich schriftlich vorbereitet und trägt sehr anschaulich vor. Fragen der anderen Teilnehmer kann er gut beantworten. Zum Schluss gebe ich ihm ein sehr gutes Feedback. Zu meinem großen Erstaunen berichtet er mir, dass es sein erster Vortrag überhaupt war. Er sei sehr stolz auf sich und überrascht, was er schaffen kann, wenn es ihm auch zugetraut wird.

Ahmed, 16 Jahre alt

Tätigkeitsbericht 2021

Ich möchte Sie einladen, sich auf den folgenden Seiten des Tätigkeitsberichtes 2021 in die detaillierten Berichte der einzelnen Fachdienste einzulesen.

Berthold Tenhonsel

Tätigkeitsbericht SKM-Bocholt 2021 (2 MByte pdf)

Einblick in die Praxis, hier: Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten

„FreD“ steht für Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten. Mit diesem Angebot sprechen wir Konsument:innen im Alter von ca. 15 bis 24 Jahren an, die zum ersten Mal strafrechtlich durch Polizei oder Behörden auffällig geworden sind.

Der Fred-Kurs umfasst insgesamt 8 Zeitstunden. Er wird von zwei erfahrenen Fachkräften moderiert und geleitet. Die einzelnen Abschnitte sind von ihren Inhalten her interaktiv gestaltet und bauen methodisch aufeinander auf.
In der Regel finden vier Kurse in einem Jahr statt. Aufgrund der Coronapandemie konnten im Berichtsjahr nur zwei Auflagenkurse durchgeführt werden.

Insgesamt nahmen 2021 22 Personen daran teil (18x männlich und 4x weiblich). Von diesen haben 13 Personen (59,1%) den Kurs regulär beendet und sind damit ihrer Auflage erfolgreich nachgekommen. 9 Personen (40,9%) waren berufsbedingt verhindert oder haben den Kurs gar nicht erst angetreten.


In den Kursen bewegen wir Fred-TrainerInnen uns wertschätzend, offen und akzeptanzorientiert auf die TeilnehmerInnen zu.
Wir schaffen Vertrauen und Sicherheit, indem wir direkt zu Beginn auf die Verschwiegenheit hinweisen und darauf, dass wir keine Ausgrenzungen oder verbale Anfeindungen akzeptieren. Die Teilnehmer:innen fühlen sich dadurch sehr schnell angenommen. In der Praxis erleben wir ein immer wiederkehrendes Muster wie sich Vertrauen und Beziehungsaufbau in Gruppen entwickeln. Das erste Gruppentreffen zeigt bei den Teilnehmer:innen noch viel Unbehagen und Misstrauen. Dennoch sind sie neugierig und interessiert. In den weiteren Gruppenterminen öffnen sich die Teilnehmer:innen. Die Gruppe rückt enger zusammen. Gemeinsam können Themen wie rechtliche Fragen, MPU, Vor- und Nachteile vom Drogenkonsum, Konsumentwicklung usw. besser bearbeitet werden. Oftmals entstehen offene Diskussionsrunden, so dass die Teilnehmer:innen voneinander lernen können.

FreD dient nicht nur als informeller Auflagenkurs, sondern auch als vertrauensvoller Türöffner für eventuelle Wideraufnahmen in der Drogenberatungsstelle.

Aus der Praxis der Drogenberatungsstelle, hier: Auszug aus einem Interview mit dem Leiter der Drogenberatungsstelle, Michael Helten, zur möglichen Cannabislegalisierung

„Schon lange wird die Legalisierung von Cannabis von einigen Verbänden und Parteien gefordert. Jetzt hat die Ampelkoalition in ihren Vertrag die Legalisierung von Cannabis festgehalten. Es steht zu erwarten, dass die Legalisierung von Cannabis in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Seit vielen Jahren sind die Cannabiskonsumenten die größte Konsumgruppe in der Drogenberatungsstelle. Was wird sich im Beratungsalltag verändern? Wohin muss sich die Drogenhilfe entwickeln?“

Michael Helten: die Legalisierung von Cannabis wird sich sicher auch auf unsere Arbeit auswirken. Wir hatten im Jahr 2021 etwa 100 Beratungen aufgrund einer strafrechtlich bestimmten Auflage, 66% davon waren Konsumenten von Cannabis. Besonders unsere Frühinterventionskurse „FreD“ werden direkt davon betroffen sein. Denn hier ist der direkte Zuweisungskontext das Jugendgericht und die Jugendgerichtshilfen im Rahmen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Kletterwand des Deutschen Alpenvereins, Bocholt

Aber trotzdem, man kann schon sagen, dass die Entkriminalisierung von Konsumenten überfällig ist. Eine Freigabe von Cannabis Ja, aber jede Legalisierungsdebatte muss anerkennen, dass Cannabis gesundheitliche Risiken, der frühe Beginn des Konsums zu Störungen in der psychosozialen Entwicklung von Jugendlichen, sowie bei chronischem Gebrauch zu starken Suchterkrankungen führen kann. Außerdem müssen Auswirkungen eines gewohnheitsmäßigen Konsums im Hinblick auf Bereiche wie z.B. am Arbeitsplatz, in der Schwangerschaft und im Straßenverkehr neu diskutiert werden.

Dennoch bietet die Entkriminalisierung Chancen. Der Konsum von Cannabis wird aus der kriminellen Ecke in eine gesundheitspolitische Diskussion geführt. Das bietet Vorteile für die Prävention und Rehabilitation. Darüber hinaus muss auch die Drogenhilfe sich Gedanken machen, wie sie Konsumenten ohne Strafrechtsdruck frühzeitig erreicht und Kontakte langfristig halten kann. Die Drogenhilfe wird aufgefordert, effiziente und niedrigschwellige Zugänge für diejenigen anzubieten, denen ein genussbasierter Konsum nicht gelingt.


Praxisbeispiel Kiffen

„Und dann habe ich mir gedacht, jetzt muss mal Schluss sein mit dem Kiffen! Seit 15 Jahren dominiert dieses Zeug mein Handeln und mein Denken. Wer möchte denn auf Dauer so leben? Es war ja nicht so, dass ich es mir bewusst überlegt habe. Ich meine, dass ich abhängig sein will. Die Beratung hat mir geholfen. Einfach die Gespräche. Das ist immer eine Stunde, die gehört nur mir. Ich muss ja hier keine Regeln befolgen. So wie… „das sagt man besser nicht“, oder „wer wird davon noch erfahren, wenn ich das jetzt ausspreche, was ich denke?“ Das ist gut. Ich sag alles, was mir in den Kopf kommt. War schon komisch am Anfang, aber man gewöhnt sich dran. Ich mein, überhaupt zu reden. Über Probleme und so. Und wenn ich dann zu Hause bin, auf dem Weg schon, dann geht mir das alles noch im Kopf rum. Aber nicht so, wie es sonst immer war. Also, dass ich nur so negative Gedanken habe. Ich denke über mich nach. Ich habe ja auch noch Pläne. Aber bekifft will und kann ich die nicht in Angriff nehmen. Ich bin motiviert! Auch wenn ich grad noch konsumiere, weniger zwar, aber ich habe ein Ziel vor Augen. Alleine schaffe ich das nicht. Aber mit den Gesprächen hier in der Beratung… und dann Therapie. Das ist mein Ziel. Im Sommer kann ich in die Klinik. Meine Familie glaubt mir noch nicht, dass ich es ernst meine. Aber ich weiß, was ich will. Und nur das zählt für mich.“

Herr M., 31 Jahre

Männergefühle – ein Schlaglicht aus dem Fachbereich Jungen, Männer und Gewaltberatung

Gerade in Krisen stellen viele Männer fest, dass ihnen der Zugang zu den eigenen Gefühlen, insbesondere zu den sog. „Negativgefühlen“ wie Ängsten, Hilflosigkeit, Versagensgefühle oder Trauer gänzlich fehlt oder „verloren“ gegangen ist. Es gelingt ihnen dann nur schwer, was in ihnen vorgeht, zu spüren, zu ertragen, geschweige denn in Worte zu fassen.

Nun fällt diese Unfähigkeit nicht vom Himmel, sondern kann am ehesten als jahrelanger Lernprozess verstanden werden. Im Laufe ihres Lebens kann sich der Zugang zu den eigenen Gefühlen deutlich verändern. Teilweise machen Jungen- und Männer die Erfahrung, dass die Wahrnehmung eigener Gefühle, nicht von deren Umfeld erwünscht ist und nicht zu internalisierten „Männerbildern“ passt. Der ängstliche, traurige und hilflose Mann wird zwar zunehmend toleriert, widerspricht dabei allerdings dem „Idealtypus Mann“ und wird vor allem seitens vieler Männer abgelehnt.

In diesem Zusammenhang ist leider auch der Krieg in der Ukraine zu erwähnen. Das alte traditionelle Männerbild, der starke Mann und Krieger steht im Vordergrund des öffentlichen Diskurses und wird von Vielen eingefordert. Scheinbar können „nur starke, mutige Männer, die zum Kämpfen bereit sind, ihr Land verteidigen und befreien.“ Für diese Aufgabe brauchen sie moderne „funktionale Waffen“. Diese direkten und indirekten Botschaften wirken unmittelbar auch auf unser Männerbild ein und können den Zugang zu den eigenen Gefühlen behindern, sie fördern einen Verdrängungs- und Verleugnungsprozess.

Die Wahrnehmung des eigenen Gefühls ist stets ein Hinweis auf unsere Wünsche und Bedürfnisse. Aber zu fühlen und zu wissen, was Mann möchte, ist aus Sicht der Mehrheitsmeinung nicht immer funktional und gewünscht.

Der „Funktionsmodus“ würde durch das Wahrnehmen der Gefühle gestört und die eigene Lebenssituation würde ggf. hinterfragt oder gänzlich in Frage gestellt. Dies stößt nicht immer auf Gegenliebe, – nicht jeder Mensch oder jede Gesellschaft freut sich darüber, werden doch zunächst scheinbare Gewissheiten zur Diskussion gestellt.

Im Ergebnis vermeidet oder verleugnet Mann das Wahrnehmen der Gefühle.

Wartehaus des abgerissenen Bocholter Bahnhof

Es bedarf aber nicht der großen Fragen von Krieg und Frieden, um diesen Prozess anschaulich darzustellen, hierzu ein Beispiel aus unserer Arbeit: im Rahmen einer Suchtpräventionsmaßnahme für Auszubildende konnte ein Gruppenteilnehmer am Beispiel des Fühlens und Erlebens der eigenen Trauer beim Tod dreier Großeltern, jeweils im Abstand von ca. 5 Jahren, seine Entwicklung sehr anschaulich darstellen:
„Beim Tod meiner Großmutter war ich ca. 11 Jahre alt, nach der Beerdigung gingen meine Schwester und ich jeweils auf unser Zimmer. Nach kurzer Zeit kam Mutter dazu, holte uns nach unten, wir saßen am Küchentisch und besprachen, was wir alles mit Oma erlebt hatten. Es flossen viele Tränen, das Reden tat gut. Ich kann mich heute noch an die Szene und an das miteinander Trauern gut erinnern.

Beim Tod des ersten Großvaters war ich 16 Jahre alt, nach der Beerdigung gingen meine Schwester und ich wieder auf unser Zimmer. Dort weinte ich alleine, nach einiger Zeit war es gut und ich ging zu meinem Freund, wir spielten PlayStation.

Beim Tod des zweiten Großvaters war ich 21 Jahre alt, das ist noch gar nicht lange her. Weder auf dem Friedhof, noch nachher flossen Tränen. Ich saß nach der Beerdigung mit meinem Vater, der verstorbene Großvater war sein Vater, am Küchentisch. Wir beide sprachen kein Wort. Mein Vater starrte die Wand an. So ging das eine Weile, dann sagte mein Vater: „So ist das, Menschen sterben“, damit war die Beerdigung zu Ende, wir beide standen auf und gingen jeder seinen Weg“.

Eindrücke aus unserer Arbeit mit emotional instabilen Menschen

hier: Interview mit der Tanzpädagogin Anna Ritte

Frau Ritte, vielen Dank, dass Sie sich zu einem Interview für den Jahresbericht des SKM zur Verfügung stellen.

Der SKM Bocholt setzt seit ca. einem halben Jahr ein vom Land NRW unterstütztes Projekt zur Förderung der Gesundung emotional instabiler, traumatisierter Personen um. Vereinfacht gesagt spüren diese Menschen ihre Gefühle unmittelbarer und deutlich stärker als andere Menschen, manchmal sind sie ihnen quasi ausgeliefert, eine Kontrolle der Gefühlserlebnisse über den Verstand ist diesen Personen nur noch sehr eingeschränkt möglich.

Tanzende Frau
Der geförderte Personenkreis gilt als chronifiziert psychisch krank, sie werden als Drehtürpatienten in den psychiatrischen Kliniken wahrgenommen, Hilfen sind in der Vergangenheit oftmals ins Leere gelaufen. Für die Behandler gelten diese Personen auch deswegen als schwer therapierbar, die Erkrankung ist nur eingeschränkt einer medikamentösen Behandlung zugänglich und es mangelt oft krankheitsbedingt an Einsicht und Verlässlichkeit.
Und genau für diesen Personenkreis bieten Sie nun ein Bewegungsangebot in Form von Tanz an, Frau Ritte, vielen Dank, dass Sie uns an ihrer Motivation und den ersten Erfahrungen teilhaben lassen.

Doch zunächst, wie sind Sie überhaupt zur Tanzpädagogik gekommen?

Schon als Jugendliche habe ich in meiner Freizeit getanzt. Den ersten Kurs in der Tanzschule habe ich mit 11 Jahren besucht. Seitdem hat mich der Tanz immer irgendwie begleitet – mal mehr, mal weniger intensiv.

Zum Ende meiner Schulzeit und zu Beginn meines Studiums der Sozialen Arbeit habe ich mein Hobby etwas ruhen lassen. Dann ergab sich jedoch die Möglichkeit ein Seminar zum Thema „Tanzpädagogik“ zu besuchen. Und schon nach einem Semester wusste ich, dass ich den Tanz unbedingt auch im beruflichen Kontext nutzen möchte. Im Anschluss an mein Studium habe ich dann berufsbegleitend eine Ausbildung zur Dipl. Tanzpädagogin absolviert.

Wo sehen Sie die besonderen Möglichkeiten der Tanzpädagogik?

In der Tanzpädagogik geht es um eine ganzheitliche Betrachtung und Förderung der Teilnehmenden. Neben dem künstlerischen Aspekt (z.B. Vermittlung der Tanztechnik bestimmter Tanzstile) wird in der Tanzpädagogik vor allem Wert auf die körperliche, kognitive, emotionale und soziale Entwicklung gelegt.

Eine Besonderheit des Tanzes ist z.B. auch seine Unmittelbarkeit – d.h. ich benötige weder Pinsel und Farbe noch Musikinstrument, um zu tanzen. Tanz fördert dadurch nicht nur auf körperlicher Ebene (Muskelaufbau, Motorik, Koordinationsfähigkeit, Gleichgewichtssinn…), sondern bietet ebenfalls die Möglichkeit, die Wahrnehmung des eigenen Körpers und das Körperbewusstsein zu fördern, dadurch ein Gespür für eigene Bedürfnisse zu entwickeln und auf diese Weise letztendlich auch das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl zu stärken. Zudem kann ich mich, meine Gefühle und meine Gedanken im Tanz ausdrücken, ohne dafür Worte finden zu müssen. Sprachliche Barrieren – in vielerlei Hinsicht – gibt es nicht. So lässt sich der Tanz auch als Ventil nutzen, um Spannungen abzubauen. Gerade diese Aspekte kommen uns allen im Rahmen des Projektes sicherlich zugute.

Welche Musik wählen Sie für ihre Angebote aus?

In erster Linie nutze ich Instrumentalmusik. Ich versuche dabei, motivierende und positiv besetzte Musik auszuwählen. Hin und wieder dürfen es aber auch Stücke mit Gesang sein – dann gerne fremdsprachige Lieder. Auf diese Weise möchte ich erreichen, dass wir uns beim Tanzen vollkommen frei auf die Bewegung einlassen können – ohne eventuell von Liedtexten beeinflusst oder abgelenkt zu werden.

Die Musikauswahl reicht von modernen und aktuellen Titeln bis hin zu älteren Stücken. Ich versuche viel Abwechslung anzubieten, sodass für jede_n etwas dabei ist.

Garten Gut Heidefeld

Aktuell arbeiten Sie beim SKM mit emotional instabilen, traumatisierten Personen. Was ist das Ziel ihrer Arbeit mit diesem Personenkreis? Welche Methoden und Techniken setzen Sie dafür ein? Vielleicht schildern sie erste Erfahrungen aus den Bewegungseinheiten.

In meinem Unterricht will ich den Teilnehmenden die Möglichkeit geben, in vertrauensvoller und entspannter Atmosphäre in Bewegung zu kommen. Sie sollen Gelegenheit haben, im Hier & Jetzt positive Körper- und Selbsterfahrungen zu sammeln, sich im Tanz auszudrücken und vorhandene Spannungen abzubauen.

In der Tanzpädagogik kann ich sowohl auf imitative (vormachen-nachmachen) als auch kreative Vermittlungsmethoden zurückgreifen. Persönlich hängt mein Herz an der Tanzimprovisation, weshalb ich mit meinen Teilnehmer_innen – egal in welchem Kontext – fast ausschließlich kreativ und mit unterschiedlichen Sozialformen (alleine, zu zweit, in der Gruppe) arbeite. Das heißt, dass wir uns zu einem vorgegebenen Thema ausprobieren und mit tänzerischer Bewegung experimentieren. „Richtig“ oder „Falsch“ gibt es dabei nicht.

Ein Beispiel: Wir nehmen uns einen Hocker und probieren verschiedene Möglichkeiten aus, auf diesem Hocker zu sitzen, zu stehen, zu liegen… Zu zweit oder in der Gruppe tauschen wir uns über verschiedene Möglichkeiten aus. Anschließend legt jede_r individuell 3 Möglichkeiten fest, die zu einem kurzen Bewegungsmotiv, also einer kleinen Choreografie verbunden werden Diese Bewegungsmotive können wir dann weiter variieren (zeitlich, z.B. schnell-langsam; dynamisch, z.B. kraftvoll-zart) und auch miteinander kombinieren.

Ich will den Teilnehmer_innen auf diese Weise Gelegenheit geben, Ihre individuellen Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeiten zu entdecken; sich selber und ihre Potentiale besser kennen zu lernen.

Aktuell nehmen an dem Tanzangebot ausschließlich Frauen teil. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Teilnehmerinnen es sehr schätzen, dass sie sich in einem geschützten Rahmen frei und unbeobachtet bewegen können. Sie haben die Möglichkeit, einfach sie selbst zu sein – ohne beurteilt zu werden oder irgendwelchen Anforderungen gerecht werden zu müssen. Eine solche Gelegenheit haben wir alle viel zu selten.

Wann stellt sich für Sie Erfolg bei der Arbeit ein?

Erfolg ist in solchen Zusammenhängen schwer zu messen. Ich freue mich, wenn die Teilnehmer_innen sich auf das Angebot einlassen und sie für einen Moment dem Stress und dem (Leistungs-)Druck des Alltags entfliehen können. Für mich ist es ein Erfolg, wenn die Teilnehmenden im Anschluss sagen, dass ihnen die Stunde gutgetan hat, sich eine eventuell vorhandene Grundanspannung verringert hat und sie positive Erfahrungen, Erkenntnisse oder Erlebnisse aus der Stunde mitnehmen können.

Erfolg innerhalb dieses Projektes bedeutet für mich persönlich aber auch, meinen Horizont zu erweitern und Neues zu lernen. In der letzten Stunde habe ich gemeinsam mit den Teilnehmerinnen u.a. darüber gesprochen, welche Inhalte und Themen innerhalb des Tanzangebotes noch aufgegriffen werden könnten. Dieser Austausch war sehr bereichernd und aufschlussreich. Die Anregungen helfen mir meine Stundenbilder bedürfnisorientiert vorbereiten zu können, sodass sich für uns alle ein Erfolg einstellen kann.

Gibt es schon Rückmeldungen von den Klienten?

Die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen fielen bislang sehr positiv aus – sowohl das Bewegungsangebot, als auch das Projekt im Allgemeinen betreffend.

Allerdings stehen wir, was die aktive Gruppenarbeit im Projekt angeht, ja noch ziemlich am Anfang. Ich habe den Eindruck, dass wir alle noch sehr neugierig und gespannt sind, wo unsere gemeinsame Reise hingeht.

An dieser Stelle möchte ich deshalb die Gelegenheit nutzen, den Teilnehmerinnen für ihre Offenheit und ihren Mut zu danken, sich auf das Projekt einzulassen. Und das selbst an Tagen, die Ihnen dafür viel abverlangen.

Wie sehen Sie ihr Angebot im Kontext zu den anderen medizinischen- bzw. sozialtherapeutischen und lebenspraktischen Unterstützungsleistungen?

Ich bin der Meinung, dass das Tanzangebot eine gute und abwechslungsreiche Ergänzung zu den anderen Unterstützungsleistungen ist. Denn auch körperliche Aktivität ist ein wesentlicher Bestandteil zur Förderung der Genesung.

Im Tanz verbirgt sich z.B. auch die Chance, die eigene Kreativität und Spontanität neu zu entdecken. Denn Kreativität und Spontanität werden im Alltag häufig unterdrückt und gehen in unseren eingefahrenen Verhaltens- und Denkmustern verloren. Möglicherweise kann das Tanzangebot in Kombination mit den anderen Unterstützungsleistungen dazu beitragen, neue Lösungs- oder Verhaltensstrategien zu entwickeln.

Frau Ritte vielen Dank für diese Eindrücke. Ich wünschen Ihnen weiterhin viel Freude und Erfolg bei der Arbeit.

Lions Club spendet 7.000 Euro für Kolibri

BBV vom 06.04.2022
Wir danken dem BBV dass wir den Bericht und dem Fotografen Sven Betz wir das Foto hier übernehmen dürfen.

Das Geld kam durch den Verkauf von Genussboxen zusammen. Der Lions Club plant weitere Hilfsaktionen.

Bocholt (prck) Durch den Verkauf der „Lions-Lieblinge“ und weiteren Spenden, kam eine Summe von über 7000 Euro zusammen. Diesen Betrag spendet der Lions Club Bocholt-Westfalia an das Projekt Kolibri des SKM. Insgesamt wurden 250 der Genussboxen („Lions-Lieblinge“) über Instagram-Werbung und Mundpropaganda verkauft.

„Es war echt der Wahnsinn, wie schnell alle Boxen verkauft wurden“, sagt Kornelia Holtermann vom Lions Club Bocholt-Westfalia. „Innerhalb einer Woche waren alle weg“, ergänzt Verena Marke, Pressesprecherin des Lions Clubs Bocholt-Westfalia. In der Genussbox waren Pralinen, Wein und andere lokale und regionale Produkte, die für einen schönen und gemütlichen Abend gedacht sind, sagt die Präsidentin des Lions Clubs Bocholt-Westfalia, Annette Hünting. Mit dem Verkauf der „Lions Lieblinge“ wollten die Club-Mitglieder das Kolibri-Projekt der Kinder und Jugendhilfe des SKM – Katholischer Verein für soziale Dienste Bocholt unterstützen. „Es ist einfach eine Herzensangelegenheit. Wir haben das dann einfach gemacht“, gibt Beate Kathage (Lions Club Bocholt-Westfalia) an.

Ilka Rösing vom Lions Hilfswerk (vorne links) übergibt Christiane Wiesner (Kolibri) die Spende. (Von hinten links): Verena Marke (Lions), Berthold Tenhonsel (SKM), Kornelia Holtermann (Lions), Beate Kathage (Lions) und (vorne rechts) Annette Hünting (Lions) FOTO: SVEN BETZ

Ilka Rösing vom Lions Hilfswerk (vorne links) übergibt Christiane Wiesner (Kolibri) die Spende. (Von hinten links): Verena Marke (Lions), Berthold Tenhonsel (SKM), Kornelia Holtermann (Lions), Beate Kathage (Lions) und (vorne rechts) Annette Hünting (Lions) FOTO: SVEN BETZ

Mit der Spende sind auch schon einige Aktionen geplant. So soll ein Ausflug ins Phantasialand, ein Kurzurlaub und Freizeitaktivitäten – Kino, Schwimmen, Essen gehen – für die Kinder und Jugendlichen ermöglicht werden, sagt Christiane Wiesner. Sie arbeitet im Sozialdienst katholischer Männer (SKM) und unterstützt das Projekt Kolibri gemeinsam mit ihrem Kollegen Frank Lensing. „Kolibri“ hilft Kindern und Jugendlichen mit alkoholabhängigen Eltern. Sie sollen gestärkt werden, damit sie erfolgreich mit den belastenden Situationen und den Auswirkungen der elterlichen Alkoholabhängigkeitserkrankung langfristig umgehen können. In Einzelgesprächen oder in der Gruppe wird miteinander geredet, Vertrauen aufgebaut und über gemeinsame Aktivitäten eine Bindung geschaffen. „Mich hat es sehr gefreut, dass so viele mitgemacht haben. Gemeinsame Aktivitäten binden einfach und helfen. Wir sind dem Lions Club sehr dankbar, auch die Kinder und Jugendlichen, das merkt man auch. Ohne die Hilfe wäre das nicht möglich gewesen“, bedankt sich Christiane Wiesner.

Um weiter zu helfen, plant der Lions Club Bocholt-Westfalia weitere Aktionen. Die Nächste steht in der Adventszeit auf dem Plan der Mitglieder.

 

Kinderarmut gibt es auch in Bocholt – „Woche der Armut“ macht im März auf das Thema aufmerksam

BBV, Daniela Hartmann vom 09.02.2022
Wir danken dem BBV, dass wir den Bericht und Foto hier übernehmen dürfen.

Bocholt – Auf die Kinderarmut konzentriert sich vom 7. bis 12. März die „Woche der Armut“. Insbesondere durch die Corona-Pandemie habe sich die Situation auch für Kinder in Bocholt verschlechtert, befürchten die Organisatoren.

Die Veranstalter der „Woche der Armut“: Fatma Boland (von links), Manuel Loeker, Gustav Arnold, Annette Essingholt, Ulrik Störzer und Isabel Testroet; Foto: Daniela Hartmann

Die Veranstalter der „Woche der Armut“: Fatma Boland (von links), Manuel Loeker, Gustav Arnold, Annette Essingholt, Ulrik Störzer und Isabel Testroet; Foto: Daniela Hartmann

Auch in Bocholt gibt es Kinderarmut, betont Ulrik Störzer von der Familienbildungsstätte (Fabi). Zwar seien die Zahlen hier nicht so hoch wie im Ruhrgebiet, dennoch lebe in der Bocholter Innenstadt jede dritte Familie von Sozialhilfeleistungen, berichtet er. Diese Zahlen stammen aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. „Es steht zu befürchten, dass sich die Situation seitdem weiter ins Negative verkehrt hat“, sagt Störzer. Aus diesem Grund legt die „Woche der Armut“, die vom 7. bis zum 12. März stattfindet, den Fokus auf die Kinderarmut. Organisiert wird die Veranstaltungsreihe von der Fabi, dem Caritasverband, der VHS, der Ewibo, dem SKM und dem Verein Engagement für Menschen und Rechte.

Eröffnet wird die Woche der Armut am Montag, 7. März, um 19 Uhr von Bürgermeister Thomas Kerkhoff im Medienzentrum, Hindenburgstraße 5. Danach hält der Kinder- und Jugendarzt Dr. Ulrich Fegeler einen Impulsvortrag zum Thema „Armut und Bildungsferne – Perspektiven der Kinder- und Jugendgesundheit“. Anschließend findet eine Diskussion statt.

Am Donnerstag, 10. März, geht es weiter mit einer Podiumsdiskussion. Als Gäste sind Dr. Karin Nachbar, Leiterin der Erziehungsberatungsstelle der Caritas und Beate Friedrich, Leiterin der Hohe-Giethorst-Schule, dabei. Außerdem sitzt Prof. Harald Michels vom Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der FH Düsseldorf mit auf dem Podium. Beginn ist um 19 Uhr in der Fabi am Ostwall 39. Moderiert wird die Veranstaltung von Claudia Soggeberg vom Caritas-Vorstand.

Am Samstag, 12. März, ab 11 Uhr kommen dann auch die Kinder zu Wort. Das Motto lautet „Laut und leise – Die UN-Kinderrechtskonvention in Aktion gesetzt“. „Wir werden auf dem Marktplatz aus der Kinderrechtskonvention wichtige Paragrafen vorlesen und versuchen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen“, erzählt Ulrik Störzer.

Teil der Woche der Armut wird auch eine Ausstellung von Bildern sein, die Schüler einer Bocholter Grundschule gestaltet haben. „Wir haben die Kinder gebeten, Bilder zu malen“, sagt Manuel Loeker, Leiter der Quartiersarbeit der Caritas. „Wir haben die Kinder gefragt: Was ist für dich Armut?.“

Wichtig findet VHS-Leiterin Isabel Testroet, dass die Woche der Armut aber nicht nur auf finanzielle Armut schaut. Vielmehr würden verschiedene Aspekte berücksichtigt, wie die soziale Armut. Denn durch die Pandemie fehlten vielen Kindern soziale Kontakte. „Man schaut völlig zu Recht immer auf die Familien mit vielen Kindern, aber auch für Einzelkinder ist die Pandemie eine Belastung“, betont Testroet.

Schade findet Ulrik Störzer, dass es in der Innenstadt kaum Angebote für Kinder und Jugendliche gebe. Es gebe kein Haus der Jugendarbeit und nur wenige Spielpunkte. „Auch zur Stadtbibliothek kommt man als Kind aus der Innenstadt schwer hin. Da muss man erst den Ring überqueren“, so Störzer. Die Fabi ist deshalb tätig geworden und hat Angebote für Kinder und Jugendliche entwickelt, die besonders stark unter dem Kontaktmangel während der Pandemie leiden. Dazu gehören ein Jugendchor, eine Jugenddisco, ein Schülercafé und das „Café Kinderwagen“