Aus der Praxis der Drogenberatungsstelle, hier: Auszug aus einem Interview mit dem Leiter der Drogenberatungsstelle, Michael Helten, zur möglichen Cannabislegalisierung
„Schon lange wird die Legalisierung von Cannabis von einigen Verbänden und Parteien gefordert. Jetzt hat die Ampelkoalition in ihren Vertrag die Legalisierung von Cannabis festgehalten. Es steht zu erwarten, dass die Legalisierung von Cannabis in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Seit vielen Jahren sind die Cannabiskonsumenten die größte Konsumgruppe in der Drogenberatungsstelle. Was wird sich im Beratungsalltag verändern? Wohin muss sich die Drogenhilfe entwickeln?“
Michael Helten: die Legalisierung von Cannabis wird sich sicher auch auf unsere Arbeit auswirken. Wir hatten im Jahr 2021 etwa 100 Beratungen aufgrund einer strafrechtlich bestimmten Auflage, 66% davon waren Konsumenten von Cannabis. Besonders unsere Frühinterventionskurse „FreD“ werden direkt davon betroffen sein. Denn hier ist der direkte Zuweisungskontext das Jugendgericht und die Jugendgerichtshilfen im Rahmen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Aber trotzdem, man kann schon sagen, dass die Entkriminalisierung von Konsumenten überfällig ist. Eine Freigabe von Cannabis Ja, aber jede Legalisierungsdebatte muss anerkennen, dass Cannabis gesundheitliche Risiken, der frühe Beginn des Konsums zu Störungen in der psychosozialen Entwicklung von Jugendlichen, sowie bei chronischem Gebrauch zu starken Suchterkrankungen führen kann. Außerdem müssen Auswirkungen eines gewohnheitsmäßigen Konsums im Hinblick auf Bereiche wie z.B. am Arbeitsplatz, in der Schwangerschaft und im Straßenverkehr neu diskutiert werden.
Dennoch bietet die Entkriminalisierung Chancen. Der Konsum von Cannabis wird aus der kriminellen Ecke in eine gesundheitspolitische Diskussion geführt. Das bietet Vorteile für die Prävention und Rehabilitation. Darüber hinaus muss auch die Drogenhilfe sich Gedanken machen, wie sie Konsumenten ohne Strafrechtsdruck frühzeitig erreicht und Kontakte langfristig halten kann. Die Drogenhilfe wird aufgefordert, effiziente und niedrigschwellige Zugänge für diejenigen anzubieten, denen ein genussbasierter Konsum nicht gelingt.
Praxisbeispiel Kiffen
„Und dann habe ich mir gedacht, jetzt muss mal Schluss sein mit dem Kiffen! Seit 15 Jahren dominiert dieses Zeug mein Handeln und mein Denken. Wer möchte denn auf Dauer so leben? Es war ja nicht so, dass ich es mir bewusst überlegt habe. Ich meine, dass ich abhängig sein will. Die Beratung hat mir geholfen. Einfach die Gespräche. Das ist immer eine Stunde, die gehört nur mir. Ich muss ja hier keine Regeln befolgen. So wie… „das sagt man besser nicht“, oder „wer wird davon noch erfahren, wenn ich das jetzt ausspreche, was ich denke?“ Das ist gut. Ich sag alles, was mir in den Kopf kommt. War schon komisch am Anfang, aber man gewöhnt sich dran. Ich mein, überhaupt zu reden. Über Probleme und so. Und wenn ich dann zu Hause bin, auf dem Weg schon, dann geht mir das alles noch im Kopf rum. Aber nicht so, wie es sonst immer war. Also, dass ich nur so negative Gedanken habe. Ich denke über mich nach. Ich habe ja auch noch Pläne. Aber bekifft will und kann ich die nicht in Angriff nehmen. Ich bin motiviert! Auch wenn ich grad noch konsumiere, weniger zwar, aber ich habe ein Ziel vor Augen. Alleine schaffe ich das nicht. Aber mit den Gesprächen hier in der Beratung… und dann Therapie. Das ist mein Ziel. Im Sommer kann ich in die Klinik. Meine Familie glaubt mir noch nicht, dass ich es ernst meine. Aber ich weiß, was ich will. Und nur das zählt für mich.“
Herr M., 31 Jahre