Männer und ihre Lebenswelt – „Mannslöh gistern un vandage“
1. Bocholter Männertage 2010 Programm
Eröffnung
Im Rahmen der 1. Bocholter Männertage gastierte zur Auftaktveranstaltung der Kabarettist Hubert Burghardt aus Dortmund vor einem vollbesetzten Saal im Kolpinghaus.
In einer buchstäblich atemlosen Vorstellung seiner „Hubert-Burghardt-Ich-AG“ im besten Banker-Kauderwelsch machte Burghardt deutlich, dass ihm politische und gesellschaftliche Anliegen sehr wichtig sind.
Es war Politikkabarett der anspruchsvollen Art – also ganz schön schwere Kost und trotz der von ihm beklagten „mangelhaften Ressourcen an Risikowitzkapital“ sorgte Burghardt für etliche, oft sprichwörtlich im Halse steckenbleibende Lacher. Es gelang ihm eine Gratwanderung zwischen geradezu zorniger Anklage gegen Missstände in der Gesellschaft und lässig-sarkastischer Abrechnung mit dem Zeitgeist.
Als stotternder Atomkraftgegner „Gandolf“ mit rotem Fahrradhelm auf dem Kopf, wies er auf die Problematik atomarer End- und Zwischenlager hin. Einen Castorbehälter im Salzstock in Gorleben zu lagern sei in etwa so, als wolle man „einen Konzertflügel im Gästeklo eines Reihenhauses“ unterbringen. Burghardt outete sich als bekennender Zeitgeistmuffel und wehrte sich gegen Modeerscheinungen des „Schnäppchenterrorismus“ die „Bärlauchseuche“ oder der „Rucola-Welle“. Steuervermeidung ist für ihn Volkssport geworden oder wie es soweit kommen konnte, das wir als Konsument so missbraucht werden, waren nur einige Missstände gegen die es gelte anzugehen. Wenig Gnade walten lies der Sozialpädagoge gegenüber den epidemieartig auftretenden Schar von Marathonläufern – diesen „Zwangs-Läufigen“, die für „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Orthopäden“ sorgen und vor ihren Problemen davonlaufen.
Mit der Zugabe eines afrikanischen Zweizeilers, den das Publikum erlernen sollte und doch nicht schaffte. „Ich muss mir ein ganzes Programm merken und ihr schafft nicht einmal die zwei Zeilen“, beendete Hubert Burghardt sein anspruchsvolles und hochklassiges Programm. Die zwei Stunden Kabarett vergingen wie im Fluge und wurden vom Publikum mit lang anhaltendem Applaus bedacht.
Gustav Arnold
Die erste Hälfte der 1. Bocholter Männertage war ein voller Erfolg
Alle Veranstaltungen waren sehr gut besucht und fanden eine ansprechende Resonanz bei den Bocholter Männern.
Bei der Auftaktveranstaltung mit dem Kabarettisten Hubert Burghardt aus Dortmund waren über 120 begeisterte Zuhörer erschienen.
Bei der zweiten Veranstaltung unter dem Thema „Cowboy und harte Männer“ – Männer im Wandel der Zeit- hatten sich ca. 25 Männer zu dieser hochinteressanten Podiumsdiskussion im Kolpinghaus eingefunden. Der Referent Herr Andreas Heek aus Köln ging in seinem Referat auf vier Thesen moderner Männlichkeit ein:
- Die Männerwelt ist geprägt von einem grundsätzlichen Dilemma. Der Mann soll nicht nur seinen Mann stehen, sondern auch einfühlsam sein.
- Der Mann hat einen Körper, die Frau ist ihr Körper. Männer gebrauchen ihren Körper als funktionstüchtige Maschine, Frauen folgen dem Rhythmus ihres Körpers.
- Die Gefühle des Mannes sind ein unentdeckter Kontinent. Die Scham, die eigenen Gefühle wahrzunehmen ist ein tiefe kulturelle Prägung.
- Rationalität und Ergebnisorientierung sind Stärken des Mannes: Sind sie entkoppelt von der Gefühlswelt, machen sie krank, süchtig oder gewalttätig.
Als Chance für die Männer in der Zukunft stellte der Referent heraus:
• Männer können ihre Identitätspalette erweitern, gefühlvoll und kraftvoll, je nach Charakter, sie können insgesamt mehr ihre Persönlichkeit entfalten.
• Männer müssen sich nicht auf Berufsidentität festlegen, sie können ein Leben jenseits der Berufswelt gestalten.
Am „Kochkurs für Männer“ nahmen unter der Anleitung von Olaf Hofmeier und Michael Rölfing 18 kochbegeisterte Männer teil. Gekocht wurde ein deftiges Wintergericht. Es gab als Vorspeise eine Zwiebelsuppe, als Hauptgericht einen westfälischen Grünkohl mit Wurst und Kasseler Braten und als Nachtisch eine Herrencreme. Nach dem Vertilgen der leckeren Gerichte war die einheitliche Männermeinung: „Wann ist der nächste Kochkurs, da bin ich wieder dabei“.
Am Plattdeutschen Abend im Heimathaus in Mussum nahmen ca. 60 Personen teil. Heinrich Schmeinck vom Mussumer Heimatverein führte durch ein buntes Programm mit plattdeutschen Dönkes und Liedern. Die musikalische Begleitung lag in den Händen des Harmonikaclubs Bocholt.
Insbesondere der 11-jährige Luka Friedrich und die 9-jährige Gordi Felgenmacher begeisterten mit ihren plattdeutschen Geschichten z.B. über das Leben ihrer Oma. Weiterhin waren als Aktive dabei, Sylvia Boland, Elsbeth Landsmann, Werner Bork, Doris Homolka und Josef Schepers.
An der Werksbesichtung der Firma Siemens (vormals Flender) nahmen ca. 50 interessierte Männer teil. Viele von ihnen waren ehemalige Flenderaner, die nach vielen Jahren zum ersten male wieder an ihrer alten Wirkungsstätte waren.
Weiter ging es am Samstag im Kolpinghaus mit der Gesundheitsbörse für Männer. Zahlreiche Männer nahmen die Gelegenheit wahr sich z.B. den Blutdruck oder die Sehschärfe messen zu lassen. Interessant waren auch die Ausführungen des Krankengymnasten zur erfolgreichen Vorbeugung gegen Rückenschmerzen.
Gustav Arnold
Bericht zweite Hälfte der Bocholter Männertage
Literaturabend
Der zweite Teil der 1. Bocholter Männertage begann mit dem Literaturabend „Männer lesen vor“. Musikalisch begleitet wurde der Abend von Adelbert Sieverding und seinem Quartett. Die vorgeführte Barockmusik von Philipp Telemann und Georg-Friedrich Händel gab dem Abend einen würdigen Rahmen.
Wolfgang Wabersky eröffnete den Abend mit einem Gedicht von Kurt Tucholsky.
Bürgermeister Peter Nebelo las aus dem Klassiker von Mark Twain „Die Abenteuer des Tom Saywer“.
Andreas Böggering, Mitarbeiter des SKM, las aus dem Buch „Vollidiot“ von Tom Jaud. Michael Rolfing, Mitglied in der Männergruppe des SKM, las einen Ausschnitt aus dem Buch „Nicht Herrscher, aber kräftig“ von Walter Hollstein.
Zum Schluss zitierte Dr. Herbert Veith Ausschnitte aus dem Buch „Komödie des Alterns“ von Michael Scharang.
Es war ein gelungener Abend mit hörenswerten Ausschnitten aus verschiedenen literarischen Werken und Musikstücken aus dem Spätbarock.
Vortrag „Männer nach Scheidung oder Trennung“
Der Fachanwalt für Familienrecht Dirk Tilgner aus Bocholt informierte die zahlreich erschienenen Männer über die Trennung der Ehegatten und ihren Folgen.
Zunächst ging er in seinem Vortrag ausführlich auf die Sorgerechtsregelungen nach Scheidung oder Trennung ein. Er betonte, dass bei jeder Sorgerechtsregelung das „Kindeswohl“ im Vordergrund zu stehen hat. Weitere Schwerpunkte seines Vortrags waren der „Kindesunterhalt, Ehegattentrennungsunterhalt, Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich“.
An den Vortrag schlossen sich noch zahlreiche Fragen aus dem Publikum an, die Herr Tilgner in einer auch für Nichtjuristen verständlichen Art und Weise beantwortete.
Podiumsdiskussion
Ära der Unsicherheit: Wie sieht die Berufswelt des Mannes in der Zukunft aus.
Den Diskussionsabend eröffnete der IT-Unternehmer Stefan Nacke aus Ahaus. In seinem informativen Vortrag stellte er ein in seiner Firma praktiziertes Modell der „Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf“ vor. Dabei stellte er heraus, dass Familienväter eine stärkere Bindung an das Unternehmen haben und eine bis zu 17 % höhere Arbeitsleistung erbringen. Für seine Mitarbeiter habe er „Vertrauensarbeitszeiten“ eingeführt, damit auch Väter die Möglichkeit haben, z.B. ihre Kinder zur Schule zu begleiten oder an Aktivitäten der Kinder teilzunehmen.
Unter der Moderation von Martina Sandalls vom WMW diskutierten auf dem Podium Andreas Wendlandt, Betriebsratsvorsitzender der Firma Siemens, Hermann Höllscheidt, KAB-Diözesansekretär aus Münster, Hans Bernd Felken, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen, Christoph Bruns, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bocholt, Stefan Nacke, Unternehmer aus Ahaus und Edith Brefeld, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Gronau.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie können sich Unternehmen in der Zukunft auf die mehr und mehr geforderte „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ einstellen?
Die Arbeitswelt verändert sich mit beschleunigtem Tempo vor allem durch den Einsatz neuer Technologien und durch die Globalisierung. Dieser Wandel birgt erhebliche Unsicherheiten. Von den Erwerbstätigen wird in der Zukunft ein hohes Maß an Flexibilität, Umlernen und Umdenken gefordert. Die Berufswelt des Mannes war in den vergangenen Jahrzehnten in der Regel geprägt von einem festen lebenslang ausgeübten Beruf. Werktätigkeit gegen anständige Bezahlung bildete in der Vergangenheit den Kern männlicher Identität. Die Berufswelt des Mannes wird aber zukünftig mehr und mehr geprägt durch Brüche in der Erwerbsbiographie. Phasen abhängiger Beschäftigung können durch Phasen selbständiger Beschäftigung, Zeitarbeitsverhältnissen oder durch Arbeitslosigkeit abgelöst werden.
Gerade für junge Eltern kann aber dadurch eine überfordernde Situation entstehen. In der gleichen biografischen Phase sollen sie Kinder großziehen und im Beruf vorankommen. Gerade Männer kennen und fürchten die Gefahren, die Brüche im Erwerbsleben für die eigene Laufbahn bedeuten können. Eine Planungssicherheit besteht weitgehend nicht mehr.
Alle Podiumsteilnehmer waren sich darüber einig, dass sich die Rahmenbedingungen der Berufswelt in der Zukunft ändern müssen, um eine größtmögliche familienfreundliche Arbeitsituation zu erreichen.
Männer und Theater.
Ein Blick hinter die Kulissen
Ein Blick hinter die Kulissen des Bocholter Theaters taten ca. 15 Männer unter der fachkundigen Anleitung der Bühnenmeister Schlüsselburg und Uebbing von der Stadtverwaltung Bocholt.
Das Staunen der Männer war groß, als sie Einblicke in die ausgefeilte Technik eines Theaters werfen durften.
Bis in die Garderoben der Stars und in die schwindelerregende Spitze des Bühnenhauses führte die Besichtigungstour.
Ein herzliches Dankeschön an die beiden Bühnenmeister für den äußerst informativen Abend im Bocholter Stadttheater.
Ich wollte immer schon mal einen Bagger oder Kran fahren.
Dieser Veranstaltungstag lies viele Männerherzen höher schlagen. Auf dem Betriebsgelände der Firma Schöttler standen ein Bagger, ein Schaufellader und ein Kran bereit und warteten darauf von den Männern bedient zu werden. Unter der fachkundigen Leitung des Betriebsinhabers Herrn Nordmann, seines Mitarbeiters Herrn Nienhaus und Herrn Tenbusch von der Firma Schares wurde Erde umgeschaufelt, Betonrohre zerkleinert und schwere Metallgegenstände umgesetzt.
Zum Schluss durften sich mutige Männer in einem Metallkorb 50 Meter in die Höhe befördern lassen. Ein hervorragender Ausblick auf die Stadt Bocholt war der Lohn für den Mut und das Ertragen der Kälte.
Ausstellung im Bocholter Rathaus
„Männer Gestern-Heute-Morgen“
Begleitend zu den Veranstaltungen der 1. Bocholter Männertagen war vom 17. November bis zum 29. November 2010 im Rathausfoyer eine Ausstellung zu sehen.
Ein vierköpfiges Arbeitsteam aus Mitgliedern der SKM-Männergruppe hatten die Ausstellung auf 12 Ausstellungswänden gestaltet. Das Ziel der Ausstellung war, „Interesse der Öffentlichkeit für eine zeitgemäße Identität von Männlichkeit zu wecken“.
Dargestellt waren auf den 12 Tafeln die Aktivitäten der SKM-Männergruppe in den vergangenen Jahren mit ausgesuchten Texten und Piktogrammen. Die Piktogramme hatten die Entwicklung der Familie zum Inhalt.
Zu den Texten und Piktogrammen konnten die Betrachter der Ausstellung Meinungen, Kommentare oder Gefühle auf vorbereiteten Blättern äußern.
Abschlussgottesdienst
Den Abschluss der 1. Bocholter Männertage bildete der ökumenische Gottesdienst im Herrn Pfarrer Axel Gehrmann von der Christuskirchengemeinde und Herrn Pastoralreferent Klaus Mees von der St. Josefs-Kirchengemeinde.
Im Mittelpunkt des Wortgottesdienst stand ein Film über einen Bergsteiger, der eine Felswand bezwingen wollte, dabei mehrfach abstürzte und zuletzt hilflos im Seil hängend Gott um Hilfe anflehte. Gott forderte ihn auf das Seil durchzuschneiden, was der Kletterer aber entschieden ablehnte. Am nächsten Tag fand man den Bergsteiger einen Meter über dem rettenden Boden hängend, erfroren am Seil.
Eindrucksvoll waren die vorgestellten Lebensbiografien von vier Männern aus dem alten und neuen Testament, Jonas, David, Petrus und Josef, mit ihren Zweifeln, Ängsten und Nöten.
Nach der Andacht sorgten die Männer der Männergruppe des SKM für einen kleinen Imbiss im Pfarrheim der Christuskirche.
Erfolgreiche Männertage fanden mit dem Gottesdienst ihren Abschluss. Alle Veranstaltungen waren gut besucht und werden mit ihren Themen sicherlich noch lange die Männerwelt beschäftigen.
Gustav Arnold