Cannabis-Legalisierung ist eine Chance

BBV, Barbara-Ellen Jeschke vom 02.04.2024
Wir danken dem BBV und dem Fotografen Sven Betz, dass wir den Bericht und Foto hier übernehmen dürfen.

Die Sozialarbeiter Sandra van Almsick und Louis Bitter von der SKM-Drogenberatung befürworten die teilweise Legalisierung der Droge. Die Drogenpolitik der vergangenen Jahre sei gescheitert, sagen sie.

Bocholt Der Bundesrat hat den Weg für die teilweise Legalisierung von Cannabis frei gemacht. Somit ist der Anbau und Besitz der Droge für Volljährige seit dem gestrigen Montag, 1. April, unter Bedingungen erlaubt. Sozialarbeiter Louis Bitter und Suchttherapeutin Sandra van Almsick haben mit dem BBV darüber gesprochen, wie sie das Gesetz aus Sicht der Drogenberatung des Sozialdiensts Katholischer Männer (SKM) bewerten. Sie sagen, Cannabis sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Cannabis-Legalisierung ist eine Chance Foto: Sven Betz

Die Sozialarbeiter Sandra van Almsick und Louis Bitter sprechen häufig mit Cannabis-Konsumenten. FOTO: Sven Betz

Das Gesetz hat es knapp geschafft, was sagen Sie dazu?
Louis Bitter Wir hätten sonst eine Chance verpasst, andere Wege zu gehen. Die Drogenpolitik der vergangenen Jahre in Bezug auf Cannabis ist offenkundig gescheitert.
Wie bewerten Sie die Legalisierung von Cannabis?

Bitter In erster Linie sprechen wir von einer Entkriminalisierung. Jeder Schritt, der in Richtung Entkriminalisierung von Konsumenten, nicht von Dealern, geht, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn der Drogenproblematik kann man nicht ausschließlich mit dem Strafrecht begegnen, daher sehe ich es positiv.

Ein Dealer hat im Gespräch mit dem BBV gesagt: ,Bocholt ist eine Kiffer-Stadt‘. Sehen Sie das auch so?
Sandra van Almsick In Bocholt wird nicht mehr oder weniger gekifft als in anderen Städten.

Gibt es ein Problem an den Bocholter Schulen?
Bitter In jeder weiterführenden Schule wird gekifft, auch außerhalb von Bocholt.
van Almsick Wir halten immer wieder Rücksprache mit Schulsozialarbeitern. Sicherlich wird in dieser Zielgruppe gekifft. Und es gibt auch punktuell Schüler, die es in den Pausen oder Freistunden tun. Aber das sind Einzelfälle. Wichtig ist, dass Prävention an den Schulen weiterentwickelt und etabliert wird.

Wie hat sich der Konsum von Cannabis entwickelt?
van Almsick Cannabis-Konsum hat zugenommen. Dass wir heute kurz vor der Legalisierung von Cannabis stehen, hängt ja auch damit zusammen, dass Kiffen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Vielleicht ist der Konsum dadurch auch präsenter, da nicht mehr heimlich gekifft wird.

Wie wirkt sich das auf die Bocholter Drogenberatung aus?
van Almsick Die Cannabis-Konsumenten sind bereits seit 2007/2008 die größte Konsumenten-Gruppe, die Beratung bei uns in Anspruch nimmt. Wir fragen die Klienten, was die Hauptsubstanz ist, die sie konsumieren. 50 Prozent gaben Cannabis an. Das heißt nicht zwingend, dass sie alle abhängig sind. 2023 hatten wir rund 500 Beratungsfälle, die Hälfte wegen Cannabis. Insgesamt hatten wir im Vergleich zu 2022 wieder eine leichte Steigerung in den Beratungsfällen.
Bitter Cannabis ist weltweit die am meisten illegal konsumierte Droge.

Wollen die Konsumenten, die zu ihnen kommen, denn wirklich aufhören? Oder sind es eher gerichtliche Auflagen, die sie zur Drogenberatung führen?
Bitter Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Leute, die kommen aufgrund von Auflagen durch das Strafrecht, die nicht aufhören wollen. Bei manchen entwickelt sich durch die Beratung dann doch eine Motivation aufzuhören. Andere werden von ihren Eltern geschickt. Und natürlich gibt es auch diejenigen, die erkannt haben, dass sie ein Problem haben.
van Almsick Gerade die jüngeren Konsumenten kommen häufiger durch Auflagen. Wir bieten auch seit vielen Jahren Kurse zur Frühintervention für erstauffälligen Drogenkonsumenten, den Jugendrichter als Auflage wählen. Wir haben aber auch eine Vielzahl von Menschen, die zu uns kommen, weil sie feststellen, dass sich ihr Konsum gesteigert hat oder Folgen feststellen.

Die sehen wie aus?
van Almsick Der eine stellt Konzentrationsprobleme fest, der andere leidet, weil sich seine Freundin von ihm getrennt hat oder er den Führerschein verloren hat und merkt, dass er etwas ändern muss. Es sind meist psychosoziale Probleme, die die Konsumenten mitbringen. Manchmal sind es Schulden, manchmal kommen sie, weil sich ihre Freunde zurückziehen, sie familiäre Konflikte haben oder merken, dass sie sich selbst verändert haben.

Wie gefährlich ist es, wenn junge Menschen Cannabis konsumieren?
Bitter Es gilt als wissenschaftlich abgesichert, dass Konsum von Cannabis für die Gehirnentwicklung insbesondere in der Pubertät sehr problematisch ist. Bei jungen Männern spricht man davon, dass Cannabis sich bis zum 25. Lebensjahr negativ auf die Gehirnentwicklung auswirken kann, bei jungen Frauen bis zum 22. Lebensjahr. In diesen Fällen kann die Konzentrationsfähigkeit beziehungsweise die Persönlichkeitsentwicklung gestört werden. Auch sind Fälle bekannt, in denen es zur Intelligenzminderung gekommen ist. In den Psychiatrien sind in den letzten Jahren vermehrt cannabisinduzierte Psychosen von jungen Konsumenten behandelt worden. Gerade Jugendliche sind eine vulnerable Gruppe und müssen besonders geschützt werden.

Befürworten Sie die auch die Cannabis-Clubs?
van Almsick Ich finde, jeder Konsument sollte wissen, was er konsumiert. Das ist ein Gesundheitsschutz. Welche Qualität kaufe ich ein? Was hat das für einen THC-Gehalt?Es ist wichtig, zu wissen, was kaufe ich ein, damit es kein böses Erwachen gibt.

Wo gibt es Verbesserungsbedarf in dem Gesetz?
van Almsick Wichtig ist, dass der Präventionsschutz weiter ausgebaut, gestärkt und abgesichert wird. Wenn Legalisierung, dann auch Prävention. Dafür müssen die Mittel bereitstehen, damit gute Konzepte weiter ausgebaut werden können.