Der SKM, Katholischer Verein für soziale Dienste e.V., setzt sich mit seinen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern für Menschen in Notlagen, die Rat und Hilfe suchen, ein. Dies tut er unabhängig von Religion, Nationalität, Geschlecht oder Stand des Hilfesuchenden.
Wir sind ein selbständiger und eingetragener Verein unter dem Dach der Caritas in Münster sowie Mitglied des SKM Bundesverbandes und handeln auf der Basis des christlichen Selbstverständnisses, ansonsten unabhängig und parteipolitisch nicht gebunden.
Keimzelle der Sozialen Arbeit des SKM in Bocholt war ein Beratungsangebot für Familien und Menschen in schwierigen Lebenslagen, aber schon seit über 25 Jahren haben wir mit der Sucht- und Drogenberatung weitere Standbeine hinzugewonnen. Je nach Einzelfall bieten wir im Rahmen dieser Angebote ambulante oder vermitteln in stationäre Entwöhnungstherapien.
Neben den Sucht- und Drogenberatung bildet mittlerweile das Ambulant betreute Wohnen für abhängigkeits- und seelisch erkrankte Menschen einen weiteren wichtigen Pfeiler unserer Arbeit.
Von Beginn haben wir immer wieder auf die besonderen Lebenslagen von Jungen und Männern abgestimmte Angebote entwickelt. Die seit ca. 10 Jahren stattfindenden Bocholter Männertage erfreuen sich überregionaler Aufmerksamkeit. In dieser Tradition und mit Unterstützung des Diozesan-Caritasverbandes und des SKM Bundesverbandes konnten wir ab Januar 2017 Jungen- und Männerarbeit, auch im Sinne einer Krisen- und Gewaltberatung für Jungen und Männer, in unser ständiges Angebot mit aufnehmen.
Seit über 20 Jahren kümmern wir uns im Rahmen unserer Präventionsarbeit im Projekt Kolibri um Kinder und Heranwachsende aus Familien abhängiger Eltern. Uns freut sehr, dass dieses Projekt in Bocholt viele Freunde und Unterstützer, so z.B. den Lions Club Westfalia, gefunden hat.
Auch Sie können unsere Arbeit unterstützen: ehrenamtlich, durch Spenden oder als Mitglied.
Für weitere Informationen, Rückmeldungen und Anregungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Nehmen Sie dazu einfach Kontakt per Telefon 02871 8891 oder E-Mail zu uns auf.
Tätigkeitsbericht 2023 des SKM – Katholischer Verein für soziale Dienste e.V. (pdf Download)
10.000 Euro Spende für Kolibri
Berthold Schröder (links), Berthold Tenhonsel und Christiane Wiesner (Mitte) vom SKM freuen sich über den Scheck, den Barbara Schweers (von links), Isabell Terheyden, Mechthild Schmeink und Dr. Nicola Schulze Wehninck vom Lions Club Bocholt-Westfalia überreichten. Foto: Sven Betz
BBV vom 06.04.2023
Wir danken dem BBV und dem Fotografen Sven Betz, dass wir den Bericht und das Foto hier übernehmen dürfen.
Bocholt (pam) Mit einem Scheck über 9.999 Euro unterstützt der Lions Club Bocholt-Westfalia die Arbeit des Projekts „Kolibri“ des SKM (Katholischer Verein für soziale Dienste Bocholt). „Kolibri“ kümmert sich um Kinder und Jugendliche mit alkoholkranken Vätern oder Müttern. Das früher Bundesmodellprojekt ist auf Spenden angewiesen und wird seit Jahren maßgeblich von den Lions-Damen unterstützt. Wie der Lions Club mitteilt, ist der Betreuungsbedarf durch die Coronazeit stark gestiegen. Das gespendete Geld kommt zum einen aus dem Verkauf der „Lions-Lieblinge“ (Bocholter Genussboxen), die der Lions Club im November verkaufte, zum anderen aus dem Verkauf von Waffeln bei der Adventsausstellung bei Garten Meteling.
Gespräch über eine modellierte Skulptur in der Suchtarbeit
Skulptur SuchtarbeitWenn Sie auf die Figur schauen, was sehen Sie?
Meine Idee war, dass ich irgendwas darüber mache, dass ich mich alleine fühle. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Die Figur habe ich während meiner stationären Entwöhnungstherapie gemacht, ich war auch bei dem Erstellen alleine im Raum.
Skulptur Suchtarbeit
Erkennen Sie sich in der Figur wieder?
Ich sehe, wenn ich auf die Figur schaue den Tod. Damals war das mein größter Wunsch, mit nichts mehr was zu tun haben. Ich wollte Sterben, das habe ich auch mehrfach versucht, bin auf Intensivstation mehrfach aufgewacht. Von da aus bin ich dann in die Psychiatrie gekommen. Auch auf der Psychiatrie war ich noch sehr nah an der Todessehnsucht, ich wollte nur alleine sein, den ganzen Tag im Bett liegen, nur wenn ich angesprochen wurde, habe ich reagiert.
Das hört sich nach einer totalen Abwehrhaltung an.
Ich hatte keinen Kontakt zu anderen, das ging über drei Monate. Sport in der Klinik hat mir geholfen, mich wieder zu erleben, insbesondere der Mannschaftssport hat mir gutgetan, Wir haben Indiaca gespielt. Die Figur habe ich in dieser Zeit gemacht. Der unterste Kopf spricht mich besonders an, Kommunikation ist und war immer eine Schwachstelle von mir. Manchmal ist der Mund einfach zugenagelt, besonders in Konfliktsituationen. Ich kann den anderen dadurch bestrafen, dass ich nichts sage, damit kann ich andere in den Wahnsinn treiben. Meine Ex-Freundin hat das gehasst, ich konnte zwei Tage lang schweigen.
Können Sie dieses Verhalten mit ihrer Lebensgeschichte in Beziehung bringen?
Bei uns zu Hause wurde nie geredet, Vater und Mutter haben immer Machtworte gesprochen, und dann wurde funktioniert. Erst mit 14 habe ich Widerworte gegeben, war dann eher patzig.
Warum sind die Augen schwarz?
Die stehen für meine schwarze Seele, für Pein, Trauer, Leere, Aufgeben …. Ja das war damals schon ganz schön düster.
Skulptur Suchtarbeit
Warum haben sie Rosen zum Verschließen von Augen, Ohren und Mund gewählt?
Weiß ich auch nicht, auch jetzt habe ich keine Idee, vielleicht deswegen weil sie relativ leicht zu machen waren, es macht ja auch nicht ganz so dunkel.
Mir fallen die grünen Blätter und die Rosen auf.
Ein bisschen Optik musste noch dran. Ich bin gerne in der Natur, da habe ich das Joggen angefangen, irgendwas musste man ja machen. Ich erinnere mich noch an meine Jugend, wir waren immer mit der Clique draußen, das war eine schöne Zeit, im Gegensatz zu Hause fühlte ich mich draußen mit der Clique wohl. Auch wenn das Miteinander aus Rauchen und Saufen bestand. Erlebt habe ich Kameradschaft, wir waren aufeinander eingeschworen. Wir verbrachten unsere gemeinsame Zeit in der Natur. Ich habe damals Blätter gesammelt und Formen damit ausgedrückt.
Den Schädel habe ich so eckig gemacht, weil er an das mexikanische Todesfest erinnern sollte. Die feiern den Tod, genauso bringen sie Tod und Leben zusammen.
Wie sehen Sie den mittleren Kopf?
Wie einen Roboter, wie eine Maske.
Kennen Sie ähnliche Zustände bei sich?
Ich hatte immer eine gute Fassade, Probleme hatte ich immer, habe mir nie was anmerken lassen. Die Problemfelder waren Stress, Leistung, Arbeit und die Beziehung zu den Eltern. In meiner Fassade war ich zu Hause und auf der Arbeit immer ein Ja Sager, wenn mich jemand fragte, wie es mir ginge, habe ich immer gesagt, “alles gut“. Und dann ging es auf einmal ganz schnell in die andere Richtung, auf 55 Kilogramm runtergehungert, Krämpfe. Meine Freunde haben es schon viel früher gemerkt, „Du musst kürzer treten“ haben Sie gesagt. Ich brauchte noch 5 Jahre, dann kam der Zusammenbruch. In meinem Leben gab es zu der Zeit immer nur Arbeit, Meine Eltern haben das nicht erkannt, bis zum Schluss nicht. Dann Panikattacken, Kieferflattern, Zittern, schon auf den Weg zur Arbeit bekam ich die körperlichen Symptome.
Bis heute habe ich das Gefühl, dass ich in einer Hülle lebe, immer eine Fassade habe. Nur in den Gruppenterminen und im Einzelgespräch beim SKM, und bei ganz wenigen Freunden, fühle ich mich echt. In der Gruppe zu reden ist immer eine Überwindung, ist sehr viel mit Scham behaftet, ich fühle ein ziemliches Versagen.
Spüren Sie jetzt Traurigkeit?
Angenehm ist es im Moment jedenfalls nicht, aber es ist gut, diese Dinge auszusprechen.
Was ist das Schlimmste?
Das Hilfe annehmen müssen, ich war immer der Stärkste, von mir wurde immer gefordert, dass ich Lösungen präsentiere und bis heute kann ich mich gut um die handwerklichen Probleme anderer kümmern, für die finde ich immer Lösungen. Hilfe annehmen ist hingegen sehr schwer.
Der oberste Kopf lacht, ist nicht ganz so düster. Es wird heller. So sollte es sein. Der Kopf steht für Hoffnung, für einen Neuanfang.
Wann wäre es für Sie nicht ganz so düster?
Wenn ich mehr hören, mehr sehen, mehr reden könnte. Offener an die Sache rangehen, mehr genießen können, nicht immer verkrampft sein.
Was müsste bei dem Neuanfang gelingen, wann wäre es gut?
Dass weiß ich auch nicht. Mein Zittern müsste weg sein, die Angst verlieren, nicht immer auf die Zähne beißen müssen.
Gespräch über eine modellierte Skulptur in der Suchtarbeit
Skulptur Suchtarbeit
Vielen Dank, dass sie mit uns über Ihre Skulptur sprechen wollen.
Ich habe die Figur in der Entwöhnungsbehandlung gemacht. Ich konnte gar nicht aufhören, war wie in Trance. Stunde um Stunde habe ich daran gearbeitet.
Hat die Figur etwas mit Ihnen zu tun? … ich weiß nicht, ich weiß nicht, was sie soll.
Was fällt Ihnen ein, wenn sie die Figur sehen? Schweigen, Abhauen und Streit provozieren – so habe ich immer reagiert, wenn ich über ein Thema nicht reden mochte. Unangenehme Themen waren für mich fast immer Beziehungsthemen. Dann habe ich meine Stacheln ausgefahren, habe nichts an mich rangelassen. Als Verteidigung, wenn ich nicht die richtigen Worte finde. Ich schalte dann auf Abwehr und auf Flucht. – und dann kam das Saufen dabei.
Fällt Ihnen eine entsprechende Situation ein? Ja, eine ganz böse Situation. Da war meine Freundin hochschwanger. Wir waren auf einem Metallica-Konzert in Berlin. Abends habe ich bereits viel Bier getrunken, morgens direkt weitergemacht. Meine Freundin war genervt, es gab Zoff. Ich habe nicht mit mir reden lassen, habe dann das Ticket gebucht und bin allein zurückgefahren. Ab da war die Beziehung zu Ende, es gab die Trennung.
Wissen Sie noch, wie Sie sich gefühlt haben, als ihre Freundin Sie auf ihren Alkoholkonsum ansprach? Ich war wütend und sauer. Auf was? Auf mich, weil ich nicht in der Lage war, vernünftig über mich reden zu können, über meinen Alkoholkonsum, … stattdessen bin ich laut geworden und abgehauen.
Haben Sie eine Idee, warum es Ihnen so schwerfällt, mit Ihrer Freundin darüber zu sprechen? ….. es fällt mir schwer zu sagen, Du hast recht. Ich fühle dann meine Schwäche, fühle mich so klein.
Kennen Sie das Gefühl der Stärke? Ich weiß, dass ich was kann, aber ich fühle das nicht, ich kann das für mich nicht wirklich realisieren. Ich glaube in der Klinik nennt man sowas rationalisieren, mein Bauch sagt nichts, auch dann nicht, wenn ich wirklich was hinbekommen habe.
Haben Sie mal körperliche Gewalt gegen Dritte ausgeübt? Ja, vor zehn Jahren, da waren wir auf der Kirmes. Standen am Bierwagen, da hat mich einer provoziert, ich habe ihm gesagt, dass wenn er das nochmal macht, er es mit mir zu tun bekommt, dann hat er meine Freundin provoziert. Ich habe ihn mir geschnappt, habe ihn zu Boden gedrückt, den Hals zugedrückt, ich hatte absolute Macht über ihn, habe ihm ins Ohr geflüstert: Beim nächsten Mal bringe ich dich um, ich meinte es so. Er war nachher mit einem gequetschten Kehlkopf im Krankenhaus. Unmittelbar nach der Aktion hatte ich panische Angst, habe mich unglaublich geschämt, ich war erschrocken, zu was ich fähig bin, wenn ich einen Wutausbruch bekomme. Ich glaube, seitdem lasse ich keinen mehr an mich heran.
Können Sie sich noch erinnern, wann sie erstmalig ausgerastet sind? Da war ich 10 bis 12 Jahre, ich war damals ein Super Choleriker, hatte immer wieder cholerische Anfälle, das ging bis ich ungefähr 30 Jahre wurde. Dann habe ich meine Stacheln bekommen – aber auch meine Depression. Alles war jetzt abgeflacht, mit der Depression bin ich jetzt seit 10 bis 12 Jahre beschäftigt. Es gab Zeiten, da war es mal besser oder auch andere, da war es mal schlechter. Aber seit 12 Jahren spüre ich nichts mehr.
Haben Sie eine Idee, wann Sie als Kind cholerisch wurden? Immer dann, wenn ich meinen Erwartungen nicht entsprach, insbesondere dann, wenn ich im Spiel verloren habe. Verlieren konnte ich gar nicht. Einmal habe ich eine Tischtennisplatte zerstört, weil ich verloren hatte. Alles in meinem Leben ist Wettkampf, ich war immer ehrgeizig, jetzt ist mir alles egal. Zu Hause gab es viel Leistungsdruck, alles wurde über Leistung definiert. Nicht nur die Arbeit, auch das Wurfscheibenschießen oder Badminton. Besonders ehrgeizig waren wir ich im Paintball. Wir haben europaweit und bei den deutschen Amateurmeisterschaften gespielt. Hatten eine illegale Spielhalle angemietet, bis dass die Polizei sie geschlossen hat. Die europaweiten Turniere wurden mir dann aber auch irgendwann zu viel.
Was passierte zu Hause, wenn sie gute Ergebnisse brachten? – nichts. Für die Meisterprüfung gab es einen Handschlag.
Und bei schlechten Ergebnissen? Da gab es Prügel, mit dem Kleiderbügel und den Nieten. Dazu Hausarrest und Extraarbeiten. Immer vom Vater, Mutter hatte zu Anfang noch meine Schreie gehört, nachher habe ich nicht mehr geschrien. Mutter hat mich nie auf die Prügel und meine Schmerzen angesprochen. Nachher wäre es mir auch egal gewesen. Ich habe nichts mehr gespürt.
Ab 16 habe ich dann eh gemacht, was ich wollte. Hatte mein eigenes Reich, die anderen konnten mir keine Vorschriften mehr machen.
Wenn Sie könnten, würden Sie den einen oder anderen Stachel rausziehen? Noch nicht, ich versuche noch wenig an mich rankommen zu lassen. Ich habe auch Angst, keine Verteidigung mehr zu haben, wäre dann offen und verletzlich. Das Schlimmste ist, dass ich mich mit Worten nicht wehren kann, ich spüre meine Aggressionen, kann dann aber nicht reagieren.
Was müsste passieren, damit sie sich trauen, einen Stachel rauszunehmen? Ich müsste viel gefestigter sein, selbstsicherer, von mir überzeugter.
Wenn Sie sich vorstellen, dass Sie im Laufe der Zeit alle Stacheln rausziehen, dann bliebe eine Kugel über. Was fühlen Sie bei dem Gedanken? Das möchte ich nicht – ich habe doch Ecken und Kanten. Und ich möchte mich wehren können. So zwei Stacheln sollten schon bleiben. Und ich finde eine Kugel langweilig.
Gespräch mit einem Spielsüchtigen
Es ging ganz unbewusst bereits im Alter von 14, 15, 16 los. Nicht unweit meiner damaligen Schule befand sich eine Tipico-Filiale und in den Pausen ging ich mit Freunden dorthin und verspielte ein paar Euro. Nach meinem Ausweis wurde ich fast nie gefragt!
Bis zu einem Alter von 20 oder 21 Lebensjahren war mein Spielverhalten unproblematisch, gelegentliche Casino-Besuche und Sportwetten brachten Reiz und tatsächlich auch ab und an ganz lukrative Gewinne.
Nach einem großen Gewinn mit einer Sportwette fühlte ich mich quasi unbesiegbar und erhöhte meine Spielaktivität nicht nur bei Sportwetten, sondern auch an Automaten. Wie ich jetzt in der Therapie erfahren habe, hat mein Suchtgedächtnis über all die Jahre lediglich die positiven Erlebnisse aus dieser Zeit (Gewinne und Reiz) gespeichert und immer wieder danach verlangt.
Dadurch fing ich an, andere Pflichten zu vernachlässigen und mein Leben immer mehr auf das Spielen auszurichten. Das lief dann knapp 2 Jahre so, wenn Geld zur Verfügung stand, habe ich es größtenteils verspielt.
Ich wurde sehr erfinderisch und spielte vielen Leuten, auch Freunden und Familie, etwas vor, wenn es um meine Finanzen ging. Mit ca. 23 Jahren ging ich dann zum ersten Mal zum SKM und war im Anschluss 1 Jahr spielfrei. Nach einem Rückfall ging ich erneut zum SKM.
Problematisch wurde mein Spielen ab dem Zeitpunkt, als ich alleine zocken gegangen bin. Natürlich habe ich da schon bemerkt, dass ich ein Problem habe und es mir schwerfiel, mit dem Zocken dann aufzuhören. Doch ich habe es versucht auszublenden, ich wollte es einfach nicht wahrhaben.
Ca. 1,5 Jahre habe ich gebraucht, um mir professionelle Hilfe zu suchen. Wirklich unschöne Erinnerungen, obwohl ich wusste, dass beispielsweise nur noch 150 Euro für die restlichen 7 Tage des Monats da waren, habe ich dieses Geld verspielt.
Für Außenstehende sicherlich ein nicht greifbares Verhalten. Aber beim Spiel selbst konnte ich abschalten und die negativen Konsequenzen ausblenden.
Irgendwann habe ich dieses Leben mit all den Lügen nicht mehr ausgehalten. Außerdem klaute ich meinen Eltern mehrfach Geld. Spätestens da wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Glücklicherweise habe ich im Gegensatz zu vielen anderen Spielern keine Schulden aufgenommen.
Mir Hilfe zu suchen, kostete mich große Überwindung, was die lange Zeit bis dahin ja auch verdeutlicht. Aber schon nach wenigen Gesprächen merkte ich, dass es die richtige Entscheidung war.
Meine Eltern haben mich glücklicherweise in meinem Vorhaben der Therapie unterstützt und keine allzu großen Vorwürfe gemacht, da sie es als Suchterkrankung akzeptiert haben. Trotzdem war es natürlich ein großer Vertrauensbruch.
Die Therapie hilft mir, all das Erlebte rauszulassen, darüber zu sprechen und zu thematisieren, das tut gut, das ist befreiend, aber auch anstrengend. Auch die Gruppentherapie ist sehr hilfreich, zu wissen, es gibt Andere mit einer ähnlichen Problematik, sich auszutauschen und zu helfen, ist wichtig.
Ich habe mich zudem für jegliche Glücksspieltätigkeiten im Onlineregister OASIS sperren lassen. Man sollte damit überall gesperrt sein, online ist das auch der Fall, allerdings ist meine Erfahrung, dass nach wie vor in Spielhallen nicht immer der Ausweis kontrolliert wird. Es gibt also noch Wege, trotz Sperre zu zocken..
Die Sucht ist nicht zu unterschätzen. Sie kann Existenzen zerstören. Wenn ihr merkt, ihr habt ein Problem damit oder fangt an, Anderen was vorzumachen, dann sprecht offen darüber mit engen Verbündeten oder in einer Anlaufstelle. Steht dem Thema offen gegenüber, ansonsten kann es euch von innen kaputt machen!
Der Glücksspielmarkt in Deutschland ist mit einem Umsatz von rund 38 Mrd. Euro pro Jahr riesig. Viele Deutsche zocken unproblematisch und gelegentlich, doch die ca. 430.000 pathologischen Glücksspieler, welche die Hauptantreiber dieses Umsatzes sind, sind die Leidtragenden des Marktes.
Glücksspielsucht kann ganze Familien ruinieren und Existenzen jeglicher Gesellschaftsschicht vernichten.
Die Entwicklung am Spielemarkt ist hochdynamisch und wird auch in anderen Teilen Europas mit großen Sorgen verfolgt. Vor dem Hintergrund, dass der Anteil der jungen Menschen, die um Geld spielen in den letzten 2 Jahren um 43% gestiegen sei, hat z.B. der flämische Justizminister ein komplettes Werbeverbot für Glücksspiele angeregt. Er fordere dies auch, so der Minister, weil 40 % der Gewinne von Glücksspielunternehmen von Spielsüchtigen generiert werden. Hierzu muss man wissen, dass diese Initiative in erster Linie auf den Profisport zielt. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile keinen Bundesligaverein mehr, der nicht einen Werbevertrag mit der Spielindustrie geschlossen hat. Der DFB hat gerade die auslaufenden Verträge mit Sportwettenanbietern verlängert und ausgebaut – und begründet dies damit, dass er als gemeinnütziger Verein ohne staatliche Förderung ja irgendwie an Geld kommen müsse. Während 2014 der Branchenumsatz bei Sportwetten noch bei 4,5 Mrd. Euro lag, schnellte er bis 2019 auf 9,3 Mrd. hoch, parallel erreichte der Anteil von Menschen mit problematischem Spielverhalten neue Höchstwerte. Es bedarf nicht viel an Fantasie, um zu verstehen, dass Mitglieder von Sportvereinen zu den primären Zielgruppen der Sportwettenanbieter gehören.
Gleichzeitig gibt es einen Trend, dass die Glücksspielindustrie ihre Produkte immer stärker so im Internet platziert, dass es für Nutzerinnen und Nutzer schwerer wird, präzise und schnell den Glücksspielcharakter zu identifizieren. So liegen mittlerweile Glücksspielelemente in Videospielen und Geschicklichkeitsspiele in klassischen Glücksspielen im Trend, die Formen vermischen sich, vieles wird diffuser, die Grenze zum erlaubnispflichtigen Glücksspiel wird vernebelt. Es geht um die Normalisierung von Glücksspielinhalten bei erschwerter Selbstkontrolle. Der finanziell kontinuierlich steigende Markt spricht für den Erfolg der Strategie der Glücksspielindustrie.
Eine Bocholterin und ihr langer Weg aus der Kokainabhängigkeit – Dritter Teil der BBV-Serie zur örtlichen Drogenszene
BBV, Barbara-Ellen Jeschke vom 10.01.2023
Wir danken dem BBV, dass wir den Bericht hier übernehmen dürfen.
Bocholt – Im dritten und letzten Teil der BBV-Serie über die Bocholter Drogenszene schildern wir das Schicksal einer Abhängigen. Als junges Mädchen begann sie zu kiffen. Cannabis ist eine Einstiegsdroge, sagt sie.
„Man sagt immer, Cannabis ist eine Einstiegsdroge“, sagt Jessy T. (Name von der Redaktion geändert) und lacht. Anschließend wird sie schnell sehr ruhig: „Genau das ist es.“ Schon früh kommt die junge Frau mit Drogen in Berührung. „In meiner Familie hat jeder ein Suchtproblem“, erklärt Jessy. Überhaupt habe heute sowieso jeder ein Suchtproblem, und wenn es Spielsucht sei, meint sie.
Zum ersten Mal kifft sie mit 13 Jahren auf dem Schulhof. Ihre Schwester hat die Droge mit nach Hause gebracht. Mit ihr zusammen kifft sie auch im Jugendzentrum. „Egal wo, egal was, überall ist es einfach, an Drogen zu kommen. Wenn man etwas will, bekommt man das“, sagt Jessy. Zu Hause leidet sie unter häuslicher Gewalt. Als die Familie umzieht, haut sie von dort ab und rutscht immer tiefer in den Drogensumpf und damit auch in die Kriminalität.
Clean nur für eine kurze Zeit
Jessy beginnt Kokain zu konsumieren und zu verkaufen. Dann wird sie von ihrem dealenden und gewalttätigen Freund schwanger – und schafft den Absprung. Macht sogar ihren Schulabschluss. Doch clean bleibt sie nur für die Zeit der Schwangerschaft. „Ich bin richtig abgestürzt“, sagt Jessy, die in der Mutterrolle völlig überfordert ist. Erneut ist ihr Leben geprägt von ihrer Kokainsucht und kriminellen Taten. Ihr Kind gibt sie zu ihrer Mutter. Sie selbst hat keinen festen Wohnsitz, kommt mal hier unter, mal da. Nach sieben Jahren als Kokain-Dealerin fliegt sie auf.
Beim Gerichtsprozess werden ihr zudem rund 40 Betrugsfälle nachgewiesen. Jessy muss für zwei Jahre ins Gefängnis und einen Entzug machen. „Ich war so froh, in Haft zu kommen“, sagt die junge Frau rückblickend. Doch ihre Hoffnung, dort den Absprung zu schaffen, sollte sich nicht erfüllen.
Heroin im Gefängnis kennengelernt
Im Gefängnis lernt sie andere Drogenabhängige kennen und kommt so auch in Kontakt zu Heroin und beginnt, das Opiat zu rauchen. Das Gefühl sei irre, sagt Jessy. Heroin wirkt entspannend, beruhigend und schmerzlösend. Gleichzeitig werden Konsumenten euphorisch und die geistige Aktivität wird gedämpft. Negative Gefühle wie Angst, Unlust, Leere, Probleme und Belastungen sind in der Zeit des Rausches ausgeblendet. Der wohlige Effekt, das Gefühl einfach glücklich und zufrieden zu sein, hält allerdings nur wenige Stunden an. Wenn die Wirkung vorbei ist, verlangt der Körper sofort nach mehr.
Jessy fliegt aus der Therapie. Aber sie gibt nicht auf. „Mein Ziel war: Ich bekomm‘ mein Leben in den Griff.“ Sie sucht sich Hilfe bei der Drogenberatung des SKM (Katholischer Verein für soziale Dienste) und vertraut sich dort Michael Helten an. Mithilfe des Sozialarbeiters und Suchttherapeuten findet sie einen neuen Therapieplatz und macht eine Entgiftung. Mittlerweile ist sie in ambulanter Therapie und bis auf einen Rückfall seit einiger Zeit clean. „Nachdem ich mich am Sterbebett von meiner Mutter verabschiedet habe, habe ich Cannabis geraucht“, sagt Jessy. Aber von dem einmaligen Rückfall will sie sich nicht aus der Bahn werfen lassen. Ihrem Ziel, ihr Leben in den Griff zu bekommen, sei sie schon sehr nahe, sagt sie.
Erste eigene Wohnung
Sie hat ihre erste eigene Wohnung mit kleinem Garten und einen „tollen ruhigen Partner.“ Lange hat Jessy auch dafür gekämpft, dass ihr Kind bei ihr leben kann. Für die Erziehung hat sie sich Unterstützung geholt, denn das Kind habe selbst traumatische Erfahrungen gesammelt. Die Sorge um ihr Kind ist ihr spürbar anzumerken. „Ich habe schon Achtjährige rauchen sehen und im Deutsch-Hip-Hop werden Drogen und Gewalt verharmlost“, sagt sie beunruhigt. Jessy sagt: „Meinem Kind gegenüber schäme ich mich für meine Vergangenheit.“
Praxisbeispiel Elternarbeit Drogenberatung
Das Ehepaar Q. nutzt seit einiger Zeit das Beratungsangebot der Beratungsstelle. Ihre 18jährige Tochter ist mehrfach belastet; neben dem Drogenkonsum besteht eine psychische Erkrankung. Die Tochter lebte daher in einer betreuten Wohnform für psychisch erkrankte Jugendliche. Aufgrund des steigenden Konsums hat die Tochter das Betreute Wohnen verlassen, ist nun wohnungslos und hält sich in der Drogenszene auf. Das Angebot der Eltern, zurück ins Elternhaus zu ziehen, hat die Tochter abgelehnt.
Trotz der schwierigen Umstände besteht ein regelmäßiger Austausch zwischen Tochter und Eltern, so dass diese deutlich die Belastungen des Drogenkonsums mitbekommen.
Das Ehepaar Q. sucht gemeinsam die Beratungsstelle auf und bittet um Beratung im Umgang mit ihrer Tochter, da der Lebensstil der Tochter sie emotional stark belastet. In der Beratung erhalten sie u.a. viel Hintergrund Wissen zum Thema Drogen und Abhängigkeit, um ein Verständnis für diese Thematik zu entwickeln. Des Weiteren nutzt das Ehepaar die Gespräche, um ihr Verhalten zu reflektieren und Regeln sowie Grenzen gegenüber der Tochter zu erörtern. Es ist ihnen wichtig, den Kontakt nicht zu verlieren, ohne den Konsum zu unterstützen. So wird die Tochter regelmäßig eingeladen, das Wochenende bei den Eltern zu verbringen, darf aber im Haushalt keine Drogen konsumieren oder wird nicht bei der Beschaffung durch Fahrten in den Coffeeshop unterstützt oder erhält hierzu auch keine finanzielle Gefälligkeit. Durch die liebevolle, aber konsequente bestimmende Haltung der Eltern kann die Tochter die Absprachen gut akzeptieren und es kommt kaum zu Konflikten.
Des Weiteren wird das Ehepaar durch uns an den Elternkreis angebunden und motiviert teilzunehmen. Durch den Austausch mit anderen betroffenen Eltern erfährt das Elternpaar Q. emotionale Entlastung und weiterführende Unterstützung im Umgang mit ihrem drogenkonsumierenden Kind. Ebenso lernen sie durch Beratung und Elternkreis ihre eigenen Bedürfnisse wieder wahrzunehmen.