„Ich wollte gar nicht aufhören“ – Das BBV hat mit einem Heroinabhängigen gesprochen. – Zweiter Teil der BBV-Serie zur örtlichen Drogenszene
BBV, Barbara-Ellen Jeschke vom 27.12.2022
Wir danken dem BBV, dass wir den Bericht hier übernehmen dürfen.
Bocholt – Mit 13 Jahren fängt er auf dem Schulhof an zu kiffen, um ältere Mitschüler zu beeindrucken, mit 14 Jahren hält er ein Kilogramm Marihuana in den Händen, bringt es über die Grenze und fängt auch an zu dealen.
Zwei Jahre später probiert er Ecstasy. Er nimmt LSD, testet Pilze, ist mehrere Tage auf Kokain wach. Dann kommt der Tag, an dem er das erste Mal Heroin nimmt. „So richtig war mir nicht bewusst, was ich da mache“, sagt Benjamin K. (*Name von der Redaktion geändert) über seinen ersten Kontakt mit Heroin.
Benjamin K. kommt aus einem guten Elternhaus, hat einen anerkannten Beruf, eine Freundin und er gerät dennoch in den schleichenden Strudel der Sucht.
Heroin habe er immer mit der Nadel verbunden, sagt Benjamin. Doch beim ersten Mal schnupft er es bei einem alten Schulfreund durch die Nase. Die Neugier habe ihn getrieben. Er beginnt es gemeinsam mit Kokain zu spritzen und zu rauchen, dann spritzt er es sich auch in die Arme. „Irgendwas passiert mit meinem Körper, habe ich gemerkt“, sagt er. Um seine Sucht zu finanzieren beginnt er auch mit größeren Mengen harter Drogen zu dealen, immer in der Angst, dass er oder seine Eltern, bei denen er wohnt, gewaltsam überfallen zu werden. „Vom Unternehmer bis zum Obdachlosen, sie alle kaufen Drogen.“ Trotz seiner Sucht geht Benjamin jeden Tag zur Arbeit. Auch wenn es immer schwieriger wird, seine Sucht geheimzuhalten, denn die Einstiche an den Armen muss er verstecken.
Dann kommt der Tag, an dem er seinen Führerschein verliert. Die Polizei erwischt ihn unter Einfluss und mit einem nicht geringen Anteil an Drogen. „Meine Mutter und mein Vater waren total am Ende“, erzählt Benjamin von dem Moment wo der polizeiliche Brief die Eltern erreicht. Zwei Jahre war er damals bereits heroinabhängig – weder seine Familie, noch seine Arbeitskollegen haben davon etwas bemerkt. Nicht einen Tag fehlte er auf der Arbeit, auch wenn er am Wochende ganze Nächte mit Dealen und eigenem Drogenkonsum durchmachte.
Weinend habe seine Mutter mit ihm in der Drogenberatungsstelle des Sozialdienst katholischer Männer gesessen. Benjamin nickte nur. „Ich habe einer Therapie nur zugestimmt, um meine Ruhe zu haben. Ich wollte gar nicht aufhören“, sagt er rückblickend.
Ständiges Übergeben und Schmerzen – 24 Stunden hält er den Entzug aus, dann greift er erneut zur harten Droge. Benjamin: „Die Sucht ist schon echt ekelhaft.“ Im Methadon-Programm tanzt der junge Mann seinem Arzt lange auf der Nase herum. Immer wieder erscheint er unter Drogeneinfluss in der Praxis, immer wieder gibt der Arzt ihm eine neue Chance. Zwei Jahre geht das so, dann hat ihm sein Arzt gesagt: „Das war´s.“ Benjamin wurde klar: „Wenn du jetzt hier rausfliegst, dann geht alles kaputt.“
„Es war schwer“, sagt er. Heute ist Benjamin seit vier Jahren clean. Er ist noch im Methadon-Programm, hat seinen Führerschein wieder und kümmert sich liebevoll um seinen Hund. Ohne den Rückhalt seiner Familie hätte er es nicht geschafft und auch sein Job hat ihm stets Struktur gegeben. „Ohne das, wäre ich jetzt tot oder im Knast“, ist er sich sicher.
Benjamin war ganz tief in die Drogenszene eingetaucht, erlebte wie ein Freund an einer Überdosis starb, erlebte Gewalt und Kriminalität. Bereut er die Zeit? Er nennt es eine „wilde Zeit“. Bereut er sie? „Es war mein Leben. Wer wäre ich heute?“, fragt er zurück.