Podcast Let’s talk about live Club – #14 Sucht, Gewalt und Geschlechterrollen – Die Sicht eines Suchttherapeuten

Let's talk about live Club - Andreas BöggeringDieser Podcast „LET’S TALK ABOUT LIFE CLUB“ soll ein Mutmacher sein und verschiedene Themen behandeln.

In der vierzehnten Folge melde ich mich nach einigen Wochen wieder bei euch. In dieser Aufnahme habe ich das Vergnügen, meinen ersten Gast in meinem Podcast zu begrüßen, über den ich mich sehr freue.
Mein Gast ist Andreas Böggering. Er ist Diplom-Sozialarbeiter (FH) und ausgebildeter Männer- und Gewaltberater. Seit dem Jahr 2000 arbeitet er beim SKM Bocholt, zunächst in der Familienberatung und dann in der Suchtberatung. Seit 2015 berät er Männer zum Thema Gewalt.
Wir sprechen ausführlich über die Themen Sucht und Gewalt. Außerdem bemühen wir uns, verschiedene Perspektiven einzunehmen, um einen bereichernden Input für die Zuhörer zu bieten. Dabei diskutieren wir unter anderem, ob Sucht als Krankheit anzusehen ist, welche Rolle ADHS dabei spielt, wie wir uns selbst liebevoller behandeln können und wie man es schafft, sich von Sucht zu befreien. Des Weiteren betonen wir, welche Maßnahmen die Gesellschaft ergreifen kann, um Akzeptanz und Vielfalt zu fördern, sodass Menschen sich noch offener zeigen können. Wir gehen auch auf Themen wie Geschlechterrollen und das Labeln von Gefühlen wie Wut und Trauer ein.

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Spielsucht: Frauen haben alles verzockt

BBV, Barbara-Ellen Jeschke vom 03.04.2024
Wir danken dem BBV und dem Fotografen Sven Betz, dass wir den Bericht und Foto hier übernehmen dürfen.

Zwei Frauen haben mit dem BBV offen über ihren Weg in die Sucht und wieder heraus gesprochen.
Die Spielcasinos in Bocholt seien voll von Frauen oder Paaren, die gemeinsam ihr Geld verspielen, berichten sie.

Bocholt Schon als kleines Kind hat Petra (Name von der Redaktion geändert) gern an den Automaten in der Kneipe ihrer Eltern gespielt. Mit Freunden besucht sie im Erwachsenenalter dann zum ersten Mal ein Spielcasino. Immer wieder füttert sie den Automaten mit fünf oder zehn Euro. Dann entdeckt sie auch das Online-Spielcasino für sich. Irgendwann dreht sich im Leben der 48-Jährigen alles um das Glücksspiel.
„Es hat mir einen Adrenalin-Schub gegeben. Ich konnte in eine völlig andere Welt abtauchen“, berichtet die Bocholterin. Mit dem Spielen verdrängt sie alle Gefühle, die sie nicht fühlen will. „Ich habe einmal 4.600 Euro gewonnen, da dachte ich, das könnte häufiger passieren.“
So erging es auch Carolin (Name geändert). „Ich dachte, mir steht das Geld einfach zu.

Spielsucht bei Frauen – Die Dunkelziffer ist hoch. Foto: Sven Betz

Spielsucht bei Frauen – Die Dunkelziffer ist hoch. Foto: Sven Betz

Wenn alles im Leben schief läuft, muss das doch wenigstens klappen.“ Petra und Carolin sind zwei der wenigen Frauen in Bocholt, die mithilfe der Suchtberatung des Sozialdiensts Katholischer Männer (SKM) den Weg aus der Sucht gefunden haben. Doch sie sind sich einig: Die Dunkelziffer spielsüchtiger Frauen ist hoch. In Bocholter Spielhallen haben sie ständig andere Frauen getroffen.
So unterschiedlich beide Frauen sind, so viel vereint sie zugleich. Beide wuchsen mit einem alkoholabhängigen Vater auf. Beide haben in ihrem Leben viele Menschen verloren. Der Stiefvater von Petra hat sie psychisch und physisch gedemütigt. Wenn sie nicht gehorchte, musste sie über Stunden nackt in der Ecke stehen. Carolins Mutter litt unter Depressionen und Magersucht.
Über die vielen Verluste in ihrem Leben sagt Carolin: „Ich habe mich für einen Todesengel gehalten.“ Als dann der Vater ihrer besten Freundin stirbt, zieht sie mit ihr los in die Spielhallen. Hier kann sie alles vergessen. Die 37-Jährige verkauft alles, erscheint nicht mehr am Ausbildungsplatz und in der Berufsschule, damit sie spielen kann. Auch Petra nimmt sich extra Urlaub, um heimlich in die Spielhalle zu fahren, tut, als ob sie zur Arbeit geht, nur damit ihre Partnerin nichts ahnt. Besonders schlimm wird ihre Sucht nach dem Tod ihrer Mutter.
Das Spielen lenkt sie ab. „Es hat mir Freude und Glücksgefühle gegeben“, sagen beide. Und Petra schiebt hinter her, wie sie es im Nachhinein betrachtet: „Du sitzt da in einer dunklen Kaschemme und hast nur den Automaten vor dir.“ Beide setzen sich im Kopf finanzielle Limits, die sie niemals einhalten. „Du betrügst dich selbst“, sagt Carolin. Schulden und ein Lügen-Kartenhaus bauen sich auf. Carolin bestiehlt sogar ihren Freund. Petra steht letztendlich mit 50.000 Euro im Minus.
Mit einem Kredit versucht sie den nächsten zu tilgen. Dann öffnet ihre Partnerin einen Brief von der Bank. Das Kartenhaus bricht zusammen. Ihre Freundin wirft sie raus. „Ich hatte das, was mir im Leben am wichtigsten ist, verloren“, sagt Petra über ihre Entscheidung, sich Hilfe zu suchen. Und auch Carolin bricht unter den Lügen zusammen: „Ich bin ein Mensch, der jedem ehrlich seine Meinung sagt, und ich habe nur noch gelogen. Ich war ein Mensch, der ich nicht mehr sein wollte.“
Beide Frauen greifen zum Telefon und wählen die Nummer der Glücksspiel-Sucht-Beratung des SKM. „Ich habe gemerkt, ich bin nur noch traurig. Meine Gedanken drehen sich nur noch ums Spielen. Doch es dauert lange, bis man sich das eingesteht“, sagt Carolin. Sie braucht einige Therapie-Anläufe. Bei Petra geht es schneller.
Doch jetzt stehen beide wieder voll im Leben. Carolin ist in führender Position im Gesundheitswesen. Petra hat ihren Job in der Logistik halten können. Sie haben in der Therapie einen neuen Umgang mit ihren Gefühlen gelernt, einen anderen Umgang zu Geld und Selbstfürsorge, zahlen ihre Schulden schrittweise ab.
„Wenn ich heute Werbung für Glücksspiel sehe, denke ich immer: ‚Die Bank gewinnt immer‘. Und die Menschen, die spielen, tun mir leid“, sagt Carolin. Gemeinsam mit Petra möchte sie anderen Frauen einen Weg aus der Spiel-Hölle aufzeigen. Wer sich in ihrer Geschichte wiederfindet, dem raten sie: „Sei ehrlich und such dir Hilfe.“
Der SKM – Katholischer Verein für soziale Dienste in Bocholt bietet Beratung zur Glücksspielsucht. Ansprechpartnerin sind Christiane Wiesner und Michaela Schäfer. Sie sind erreichbar per E-Mail: skm.bocholt@t-online.de oder unter 02871 8891.

Cannabis-Legalisierung ist eine Chance

BBV, Barbara-Ellen Jeschke vom 02.04.2024
Wir danken dem BBV und dem Fotografen Sven Betz, dass wir den Bericht und Foto hier übernehmen dürfen.

Die Sozialarbeiter Sandra van Almsick und Louis Bitter von der SKM-Drogenberatung befürworten die teilweise Legalisierung der Droge. Die Drogenpolitik der vergangenen Jahre sei gescheitert, sagen sie.

Bocholt Der Bundesrat hat den Weg für die teilweise Legalisierung von Cannabis frei gemacht. Somit ist der Anbau und Besitz der Droge für Volljährige seit dem gestrigen Montag, 1. April, unter Bedingungen erlaubt. Sozialarbeiter Louis Bitter und Suchttherapeutin Sandra van Almsick haben mit dem BBV darüber gesprochen, wie sie das Gesetz aus Sicht der Drogenberatung des Sozialdiensts Katholischer Männer (SKM) bewerten. Sie sagen, Cannabis sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Cannabis-Legalisierung ist eine Chance Foto: Sven Betz

Die Sozialarbeiter Sandra van Almsick und Louis Bitter sprechen häufig mit Cannabis-Konsumenten. FOTO: Sven Betz

Das Gesetz hat es knapp geschafft, was sagen Sie dazu?
Louis Bitter Wir hätten sonst eine Chance verpasst, andere Wege zu gehen. Die Drogenpolitik der vergangenen Jahre in Bezug auf Cannabis ist offenkundig gescheitert.
Wie bewerten Sie die Legalisierung von Cannabis?

Bitter In erster Linie sprechen wir von einer Entkriminalisierung. Jeder Schritt, der in Richtung Entkriminalisierung von Konsumenten, nicht von Dealern, geht, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn der Drogenproblematik kann man nicht ausschließlich mit dem Strafrecht begegnen, daher sehe ich es positiv.

Ein Dealer hat im Gespräch mit dem BBV gesagt: ,Bocholt ist eine Kiffer-Stadt‘. Sehen Sie das auch so?
Sandra van Almsick In Bocholt wird nicht mehr oder weniger gekifft als in anderen Städten.

Gibt es ein Problem an den Bocholter Schulen?
Bitter In jeder weiterführenden Schule wird gekifft, auch außerhalb von Bocholt.
van Almsick Wir halten immer wieder Rücksprache mit Schulsozialarbeitern. Sicherlich wird in dieser Zielgruppe gekifft. Und es gibt auch punktuell Schüler, die es in den Pausen oder Freistunden tun. Aber das sind Einzelfälle. Wichtig ist, dass Prävention an den Schulen weiterentwickelt und etabliert wird.

Wie hat sich der Konsum von Cannabis entwickelt?
van Almsick Cannabis-Konsum hat zugenommen. Dass wir heute kurz vor der Legalisierung von Cannabis stehen, hängt ja auch damit zusammen, dass Kiffen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Vielleicht ist der Konsum dadurch auch präsenter, da nicht mehr heimlich gekifft wird.

Wie wirkt sich das auf die Bocholter Drogenberatung aus?
van Almsick Die Cannabis-Konsumenten sind bereits seit 2007/2008 die größte Konsumenten-Gruppe, die Beratung bei uns in Anspruch nimmt. Wir fragen die Klienten, was die Hauptsubstanz ist, die sie konsumieren. 50 Prozent gaben Cannabis an. Das heißt nicht zwingend, dass sie alle abhängig sind. 2023 hatten wir rund 500 Beratungsfälle, die Hälfte wegen Cannabis. Insgesamt hatten wir im Vergleich zu 2022 wieder eine leichte Steigerung in den Beratungsfällen.
Bitter Cannabis ist weltweit die am meisten illegal konsumierte Droge.

Wollen die Konsumenten, die zu ihnen kommen, denn wirklich aufhören? Oder sind es eher gerichtliche Auflagen, die sie zur Drogenberatung führen?
Bitter Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Leute, die kommen aufgrund von Auflagen durch das Strafrecht, die nicht aufhören wollen. Bei manchen entwickelt sich durch die Beratung dann doch eine Motivation aufzuhören. Andere werden von ihren Eltern geschickt. Und natürlich gibt es auch diejenigen, die erkannt haben, dass sie ein Problem haben.
van Almsick Gerade die jüngeren Konsumenten kommen häufiger durch Auflagen. Wir bieten auch seit vielen Jahren Kurse zur Frühintervention für erstauffälligen Drogenkonsumenten, den Jugendrichter als Auflage wählen. Wir haben aber auch eine Vielzahl von Menschen, die zu uns kommen, weil sie feststellen, dass sich ihr Konsum gesteigert hat oder Folgen feststellen.

Die sehen wie aus?
van Almsick Der eine stellt Konzentrationsprobleme fest, der andere leidet, weil sich seine Freundin von ihm getrennt hat oder er den Führerschein verloren hat und merkt, dass er etwas ändern muss. Es sind meist psychosoziale Probleme, die die Konsumenten mitbringen. Manchmal sind es Schulden, manchmal kommen sie, weil sich ihre Freunde zurückziehen, sie familiäre Konflikte haben oder merken, dass sie sich selbst verändert haben.

Wie gefährlich ist es, wenn junge Menschen Cannabis konsumieren?
Bitter Es gilt als wissenschaftlich abgesichert, dass Konsum von Cannabis für die Gehirnentwicklung insbesondere in der Pubertät sehr problematisch ist. Bei jungen Männern spricht man davon, dass Cannabis sich bis zum 25. Lebensjahr negativ auf die Gehirnentwicklung auswirken kann, bei jungen Frauen bis zum 22. Lebensjahr. In diesen Fällen kann die Konzentrationsfähigkeit beziehungsweise die Persönlichkeitsentwicklung gestört werden. Auch sind Fälle bekannt, in denen es zur Intelligenzminderung gekommen ist. In den Psychiatrien sind in den letzten Jahren vermehrt cannabisinduzierte Psychosen von jungen Konsumenten behandelt worden. Gerade Jugendliche sind eine vulnerable Gruppe und müssen besonders geschützt werden.

Befürworten Sie die auch die Cannabis-Clubs?
van Almsick Ich finde, jeder Konsument sollte wissen, was er konsumiert. Das ist ein Gesundheitsschutz. Welche Qualität kaufe ich ein? Was hat das für einen THC-Gehalt?Es ist wichtig, zu wissen, was kaufe ich ein, damit es kein böses Erwachen gibt.

Wo gibt es Verbesserungsbedarf in dem Gesetz?
van Almsick Wichtig ist, dass der Präventionsschutz weiter ausgebaut, gestärkt und abgesichert wird. Wenn Legalisierung, dann auch Prävention. Dafür müssen die Mittel bereitstehen, damit gute Konzepte weiter ausgebaut werden können.

KKV Westfalia Bocholt spendet für guten Zweck

Gerd Bollmann (links), Pfarrer Alfred Manthey (Mitte) und Guido Brassart vom KKV überreichen die Spendenchecks an Petra van Bruck, Leiterin der Begegnungsstätte der Pfarrei St. Josef (2. von links), und Christiane Wiesner vom Kolibri Projekt; Foto: KKV

Gerd Bollmann (links), Pfarrer Alfred Manthey (Mitte) und Guido Brassart vom KKV überreichen die Spendenchecks an Petra van Bruck, Leiterin der Begegnungsstätte der Pfarrei St. Josef (2. von links), und Christiane Wiesner vom Kolibri Projekt; Foto: KKV

BBV, (cc) vom 01.03.2024
Wir danken dem BBV, dass wir den Bericht hier übernehmen dürfen.

Jeweils 600 Euro gehen an die Begegnungsstätte der Pfarrei St. Josef in der Thüringer Straße und den SKM.

Bocholt (cc) Der Katholische Kaufmännische Verein (KKV) Westfalia Bocholt hat symbolische Schecks über jeweils 600 Euro an zwei soziale Einrichtungen übergeben. Empfänger der Spenden sind die Begegnungsstätte der Pfarrei St. Josef in der Thüringer Straße sowie der SKM (Katholischer Verein für soziale Dienste). Der SKM nutzt das Geld für Menschen in Notlagen und insbesondere für das Kolibri-Projekt.

„Es ist uns eine Herzensangelegenheit, die wertvolle Arbeit dieser Organisationen zu unterstützen und einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten“, betonten Guido Brassart, Vorsitzender des KKV Westfalia Bocholt, und der Geistliche Beirat Pfarrer Alfred Manthey. Mithilfe von Spendenaktionen und verschiedenen Aktivitäten unterstützt der KKV regelmäßig Bedürftige und trage somit zur Verbesserung der Lebensbedingungen in der Gemeinschaft bei.

Die Begegnungsstätte der Pfarrei St. Josef hat nicht nur die Aufgabe, Menschen mit Mahlzeiten und Kleidung zu unterstützen, sondern ist auch ein Ort, an dem das soziale Miteinander und die Gemeinschaft im Vordergrund stehen. Dank der großzügigen Spende können die laufenden Kosten gedeckt werden und es besteht die Möglichkeit, das Angebot zu erweitern.

Der SKM setzt sich ebenfalls mit großem Engagement für Menschen in Notlage ein. Die Spende des KKV wird insbesondere für das Kolibri-Projekt genutzt, das Kinder alkoholkranker Eltern betreut.

Die Tireng Bau GmbH spendet unserem Kolibri-Projekt einen TUI Reisegutschein über 2.000 Euro

Am Donnerstag den 8. Februar 2024 überreichten Junior und Senior Chef der Tireng Bau GmbH Berthold Tenhonsel vom SKM einen Reisegutschein über 2.000 Euro zu Gunsten der Arbeit mit den Kindern Abhängiger. Christiane Wiesner, die seit Jahren die Arbeit im Projekt verantwortet, informierte bei dieser Gelegenheit die Tirengs über die aktuelle Arbeit im Projekt. Sie zeigten sich angetan von der Unterstützung, die den Kindern und Jugendlichen im Projekt zugutekommt. Die Schicksale der Kinder von Abhängigen berührten sie.

TUI bietet eine Reihe von Möglichkeiten zum Einlösen des Gutscheins, wie z.B. Konzert- oder Musicalkarten. Dem SKM ist wichtig, dass möglichst viele der betroffenen Kinder und Jugendliche von der Spende profitieren und einen schönen Abend erleben, der sie aus dem Alltag herausführt, ihnen Abwechslung und Erholung schenkt. Die Kinder freuen sich schon jetzt auf einen tollen Tagesausflug.

Der SKM bedankt sich ganz herzlich bei der Tireng Bau GmbH.

Spendenübergabe Tireng Bau an das Kolibri-Projekt des SKM Bocholt

Spendenübergabe Tireng Bau an das Kolibri-Projekt des SKM Bocholt

Wir trauern um Ursula Rüter

„Ein reiches, langes und erfülltes Leben hat seine Vollendung gefunden“.

Ursula Rüter

Ursula Rüter, Foto: BBV

Frau Rüter hat sich über viele Jahre um unsere Arbeit mit den Kindern Abhängiger verdient gemacht.
Bis zuletzt ließ sie keinen Zweifel daran aufkommen, dass ihr Herz für die Kinder suchtkranker Eltern schlug. Sie hatte verstanden, unter welch oft lebenslang belastenden Bedingungen diese Kinder aufwachsen. Frau Rüter konnte sich in die Lebenslagen einfühlen, die Schicksale rührten sie an.
„Not sehen und Handeln“ waren für sie keine leeren Worte, es war ihre Lebenshaltung. Über den Tellerrand blicken, gegenseitige Verbundenheit fühlen, sehen was zu tun ist und dann entschieden Handeln – darum ging es ihr.
Ohne das Engagement von Frau Rüter hätte das Kolibri Projekt wohl nicht durchgehalten. Als sich öffentliche Kostenträger zurückzogen, war es für sie selbstverständlich, dass man gerade dann nicht nachlassen darf. Als Gründungspräsidentin des Lions Clubs Westfalia hat sie immer wieder dafür gesorgt, dass die Kinder Abhängiger bis heute einen sicheren Ort in Bocholt haben. Weiß man, dass fast alle vergleichbaren Projekte über die Zeit eingestellt wurden, sieht man die Leistung vorn Frau Rüter. Alle nachfolgenden Präsidentinnen haben diese Arbeit in vorbildlicher Weise fortgesetzt.
Alle die Frau Rüter erlebt haben wird sie unvergessen bleiben. Frau Rüter packte an, sie übernahm Verantwortung und konnte Andere mitziehen. Als ehemalige Lehrerin engagierte sie sich noch jahrelang in der schulischen Einzelförderung eines Kolibri Kindes.
Heute weiß man um die Wichtigkeit gerade früher Förderung. Frau Ursula Rüter war ihrer Zeit voraus.
Uns, die wir heute im Projekt arbeiten, ist sie unvergessen. Ihr Engagement ist und bleibt unser Auftrag.
Wir wünschen den Anverwandten in dieser schweren Stunde Trost, auch im Gedenken an die Lebensleistung von Frau Rüter.

 

Woche der Armut 2024 Bocholt

Woche der Armut 2024 BannerProfessor Dr. med. Gerhard Trabert ist ein Freund klarer und unmissverständlicher Worte. „In Deutschland sterben diejenigen früher, die weniger Geld haben“, meint der Mediziner aus Mainz, als er vor Jahren eine klare Verbindung zwischen sozialer Benachteiligung und Gesundheit erkannte. Seitdem will Trabert diese unheilvolle Spirale durchbrechen. So auch vom 19. Februar bis 23. Februar 2024 in Bocholt. Dann ist Gerhard Trabert Schirmherr der inzwischen vierten „Woche der Armut“. Die wird in Kooperation mit dem SKM, der Caritas, dem Verein L.i.A., dem DRK, Tür an Tür e.V., Engagement für Menschen und deren Rechte e.V. und der Familienbildungsstätte ausgerichtet und geht mit den Schwerpunkten Bewegung und Ernährung erstmals direkt in die Stadtquartiere. Dort werden – ganz nah an der Zielgruppe – Informationen und Aktionen angeboten.

Sozialmediziner Prof. Dr. med. Gerhard Trabert

Sozialmediziner Prof. Dr. med. Gerhard Trabert

Eröffnet wird das Programm am Montag, dem 19. Februar, ab 19 Uhr in der FaBi am Ostwall durch den Schirmherrn selbst. „Armut macht krank – Krankheit macht arm“, so das Thema seines Vortrages. Darin wird Professor Trabert von seiner täglichen Arbeit erzählen, die strukturellen Missstände im bundesdeutschen Sozial- und Gesundheitssystem erläutern und aufzeigen, wie es besser gehen könnte.
Der Arzt für Allgemein- und Notfallmedizin sowie Professor für Sozialmedizin und -psychiatrie weiß genau, wovon er spricht. Er ist unter anderem Buchautor und Vorsitzender des Vereins Armut und Gesundheit in Deutschland. Zudem fährt der Mainzer regelmäßig mit einem rollenden Sprechzimmer zu Menschen, die es selbst nicht schaffen, eine Praxis aufzusuchen. Für alle anderen ohne oder mit unzureichender Krankenversicherung leitet er die „medizinische Ambulanz ohne Grenzen“, eine Poliklinik mit angeschlossener sozialer Beratung in der Mainzer Innenstadt.
Für bundesweite Schlagzeilen sorgte Gerhard Trabert im Jahr 2022, als er bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten parteiloser Kandidat für die Linken war und diese Popularität nutzte, um auf seine Herzensthema aufmerksam zu machen. Das brachte ihm sogar die Anerkennung des späteren Wahlsiegers und heutigen deutschen Staatsoberhauptes, Frank-Walter Steinmeier, ein.
Wie aber kann man eine inklusivere, gesündere Gesellschaft aufbauen? Zunächst einmal durch mehr und bessere Information. Die Veranstalter der Woche der Armut in Bocholt haben deshalb unter anderem einen Ökotrophologin eingeladen, die im Quartierstreff Südwest am 20. Februar ab 10 Uhr wertvolle Tipps gibt, wie man sich mit kostengünstigen Lebensmitteln gesund ernähren kann. Im Quartiersbüro an der Münsterstraße gibt es am gleichen Tag sogenannte „Rätselräume“ zu den Themen Bewegung (ab 11:30 Uhr) und Stressmanagement (ab 14 Uhr).
Weiter geht es am Mittwoch, dem 21. Februar, mit einer Einkaufsrallye durch lokale Geschäfte und am Donnerstag, dem 22. Februar, mit einem Bewegungsangebot an der Sportbox im Friedhofsviertel sowie einem gemeinsamen Kochen in Südwest (beide ab 10 Uhr). Wie man sich clever und gesund ernährt, wird am Freitag ab 10 Uhr im Quartierstreff Mittendrin verraten. Zudem gibt es eine Koch-Challenge für Familien, bei der das Essen pro Person nicht mehr als fünf Euro kosten darf.
Das komplette Programm sowie weitere Informationen gibt es bei den Kooperationspartnern SKM, Caritas, L.I.A., DRK, Tür an Tür e.V., Engagement für Menschen und deren Rechte e.V. und der Familienbildungsstätte oder im Internet unter https://www.facebook.com/Woche.der.Armut.Bocholt/

Organisatoren der "Woche der Armut" vom 19. bis 23. Februar 2024 in Bocholt

Organisatoren der „Woche der Armut“ vom 19. bis 23. Februar 2024 in Bocholt

Gemeinsam für Borderline-Erkrankte

BBV, vom 24.01.2024
Wir danken dem BBV, Jochen Krühler und dem Fotografen Sven Betz, dass wir den Bericht / Foto hier übernehmen dürfen.

Psychiater und soziale Dienste haben in Bocholt ein eng vernetztes Hilfsangebot für Menschen geschaffen, die an der psychischen Erkrankung leiden. Kern des Angebots ist eine Gruppe, in der Patienten lernen, mit Borderline zu leben.

Geschätzt mehrere Tausend Menschen im Kreis Borken leiden an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Deutschlandweit sind eine Million Menschen von dieser psychischen Erkrankung betroffen. In Bocholt hat sich nun ein Hilfsangebot für Borderline-Erkrankte im Südkreis Borken etabliert, bei dem Mediziner, Sozialträger und der Kreis Borken eng zusammenarbeiten – und das nach Angaben der Beteiligten landesweit in dieser Form einzigartig ist.

Beteiligt an dem Projekt sind der SKM Bocholt und der Sozial-Psychiatrische Dienst des Kreises Borken als Träger von Betreuungsangeboten sowie das St.-Vinzenz-Hospital Rhede und die Facharzt-Praxis ZNS (Zentrum für neurologische und seelische Erkrankungen) in Bocholt und Borken. „Herzstück“ des Hilfsangebots ist eine Gesprächsgruppe für Borderline-Erkrankte in Bocholt, eine ambulante Arbeitsgruppe, in der neun betroffene Frauen therapeutisch begleitet lernen, mit ihrer Erkrankung umzugehen. Geleitet wird die Gruppe von Markus Büsken vom SKM und von Martina Heddier vom Sozial-Psychiatrischen Dienst.

Enge Kooperation (von links): Martina Heddier (Sozial-Psychiatrischer Dienst), Markus Büsken (SKM), Berthold Tenhonsel (SKM), Volker Knecht (ZNS) und Reinhild Wantia (Kreis Borken). Foto: Sven Betz


Enge Kooperation (von links): Martina Heddier (Sozial-Psychiatrischer Dienst), Markus Büsken (SKM), Berthold Tenhonsel (SKM), Volker Knecht (ZNS) und Reinhild Wantia (Kreis Borken). Foto: Sven Betz

Borderline ist eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung. Betroffene sind impulsiv, leiden unter raschen Stimmungswechseln, gehen oft instabile zwischenmenschliche Beziehungen ein. „Es sind Menschen mit herausforderndem Verhalten“, sagt Berthold Tenhonsel, Geschäftsführer des SKM Bocholt. „Die Betroffenen sind massiv emotional belastet, häufig mit einer großen Problematik und einem hohen Leidensdruck“, ergänzt Markus Büsken.

Seit mehr als einem Jahr gibt es nun die sogenannte Skills-Gruppe, in der neun betroffene Frauen Fertigkeiten (Skills) erlernen, um im Alltag mit ihrer Erkrankung zurechtzukommen. Was die Beteiligten von SKM und Sozial-Psychiatrischem Dienst besonders überrascht hat: „Die Gruppe läuft richtig gut, und das ist nicht selbstverständlich“, sagt Tenhonsel. Üblich sei bei solchen ambulanten Borderline-Gruppen, dass die Erkrankten bald nicht wiederkommen, die Behandlung abbrechen – was dem typischen Krankheitsbild auch entspricht.

„Wir machen hier aber eine völlig andere Erfahrung“, sagt Tenhonsel. Die Teilnehmerinnen seien regelmäßig dabei, würden auch korrekt absagen, wenn sie mal nicht könnten. „Das ist ein Riesenschritt für Borderline-Erkrankte“, sagt Markus Büsken. Martina Heddier führt den Erfolg unter anderem darauf zurück, dass die Gruppe Sicherheit und Verlässlichkeit vermittle. „Das erzeugt wiederum eine zuverlässige Teilnahme.“

Zum Borderline-Projekt gehört jedoch nicht nur die Gesprächsgruppe. Kern sei auch eine ambulante Einzelberatung, zudem gebe es eine ambulante aufsuchende Hilfe, bei der Mitarbeiter von SKM und Sozial-Psychiatrischem Dienst zu den Betroffenen nach Hause kommen, erläutert Tenhonsel. Eine wesentliche Rolle spiele dabei auch das St.-Vinzenz-Hospital in Rhede, das die Mitarbeiter schult. Die Fachärzte der psychiatrischen Fachklinik würden zudem eine Supervision gewährleisten, das heißt: Sollte es Probleme geben, stehen sie mit Rat und Tat zur Seite.

Facharzt Volker Knecht, der die zwei ZNS-Praxen in Bocholt und Borken betreibt, sieht in der Kooperation nicht nur eine bessere Versorgung von Erkrankten. Die enge Vernetzung mit SKM, Sozial-Psychiatrischem Dienst und Hospital führe auch dazu, im medizinischen Betrieb Ressourcen zu sparen. Denn die medizinische Versorgung von Borderline-Patienten sei aufwendig, bedingt durch das Krankheitsbild. In seinen Praxen gebe es mehrere Hundert Patienten mit dieser Störung pro Quartal. „Obwohl Borderline nicht häufiger als andere Erkrankungen ist, sind 15 Prozent unserer Plätze durch Borderline-Patienten belegt“, sagt er. „Das bindet an allen möglichen Ecken.“

Reinhild Wantia leitet beim Kreis Borken die Abteilung für Psychosoziale Gesundheit. Neu sei, dass man im Kreis Borken nun ein System geschaffen habe, bei dem die Akteure bei der Betreuung von Borderline-Patienten strukturell zusammenarbeiten.