Gemeinsam für Borderline-Erkrankte

BBV, vom 24.01.2024
Wir danken dem BBV, Jochen Krühler und dem Fotografen Sven Betz, dass wir den Bericht / Foto hier übernehmen dürfen.

Psychiater und soziale Dienste haben in Bocholt ein eng vernetztes Hilfsangebot für Menschen geschaffen, die an der psychischen Erkrankung leiden. Kern des Angebots ist eine Gruppe, in der Patienten lernen, mit Borderline zu leben.

Geschätzt mehrere Tausend Menschen im Kreis Borken leiden an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Deutschlandweit sind eine Million Menschen von dieser psychischen Erkrankung betroffen. In Bocholt hat sich nun ein Hilfsangebot für Borderline-Erkrankte im Südkreis Borken etabliert, bei dem Mediziner, Sozialträger und der Kreis Borken eng zusammenarbeiten – und das nach Angaben der Beteiligten landesweit in dieser Form einzigartig ist.

Beteiligt an dem Projekt sind der SKM Bocholt und der Sozial-Psychiatrische Dienst des Kreises Borken als Träger von Betreuungsangeboten sowie das St.-Vinzenz-Hospital Rhede und die Facharzt-Praxis ZNS (Zentrum für neurologische und seelische Erkrankungen) in Bocholt und Borken. „Herzstück“ des Hilfsangebots ist eine Gesprächsgruppe für Borderline-Erkrankte in Bocholt, eine ambulante Arbeitsgruppe, in der neun betroffene Frauen therapeutisch begleitet lernen, mit ihrer Erkrankung umzugehen. Geleitet wird die Gruppe von Markus Büsken vom SKM und von Martina Heddier vom Sozial-Psychiatrischen Dienst.

Enge Kooperation (von links): Martina Heddier (Sozial-Psychiatrischer Dienst), Markus Büsken (SKM), Berthold Tenhonsel (SKM), Volker Knecht (ZNS) und Reinhild Wantia (Kreis Borken). Foto: Sven Betz


Enge Kooperation (von links): Martina Heddier (Sozial-Psychiatrischer Dienst), Markus Büsken (SKM), Berthold Tenhonsel (SKM), Volker Knecht (ZNS) und Reinhild Wantia (Kreis Borken). Foto: Sven Betz

Borderline ist eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung. Betroffene sind impulsiv, leiden unter raschen Stimmungswechseln, gehen oft instabile zwischenmenschliche Beziehungen ein. „Es sind Menschen mit herausforderndem Verhalten“, sagt Berthold Tenhonsel, Geschäftsführer des SKM Bocholt. „Die Betroffenen sind massiv emotional belastet, häufig mit einer großen Problematik und einem hohen Leidensdruck“, ergänzt Markus Büsken.

Seit mehr als einem Jahr gibt es nun die sogenannte Skills-Gruppe, in der neun betroffene Frauen Fertigkeiten (Skills) erlernen, um im Alltag mit ihrer Erkrankung zurechtzukommen. Was die Beteiligten von SKM und Sozial-Psychiatrischem Dienst besonders überrascht hat: „Die Gruppe läuft richtig gut, und das ist nicht selbstverständlich“, sagt Tenhonsel. Üblich sei bei solchen ambulanten Borderline-Gruppen, dass die Erkrankten bald nicht wiederkommen, die Behandlung abbrechen – was dem typischen Krankheitsbild auch entspricht.

„Wir machen hier aber eine völlig andere Erfahrung“, sagt Tenhonsel. Die Teilnehmerinnen seien regelmäßig dabei, würden auch korrekt absagen, wenn sie mal nicht könnten. „Das ist ein Riesenschritt für Borderline-Erkrankte“, sagt Markus Büsken. Martina Heddier führt den Erfolg unter anderem darauf zurück, dass die Gruppe Sicherheit und Verlässlichkeit vermittle. „Das erzeugt wiederum eine zuverlässige Teilnahme.“

Zum Borderline-Projekt gehört jedoch nicht nur die Gesprächsgruppe. Kern sei auch eine ambulante Einzelberatung, zudem gebe es eine ambulante aufsuchende Hilfe, bei der Mitarbeiter von SKM und Sozial-Psychiatrischem Dienst zu den Betroffenen nach Hause kommen, erläutert Tenhonsel. Eine wesentliche Rolle spiele dabei auch das St.-Vinzenz-Hospital in Rhede, das die Mitarbeiter schult. Die Fachärzte der psychiatrischen Fachklinik würden zudem eine Supervision gewährleisten, das heißt: Sollte es Probleme geben, stehen sie mit Rat und Tat zur Seite.

Facharzt Volker Knecht, der die zwei ZNS-Praxen in Bocholt und Borken betreibt, sieht in der Kooperation nicht nur eine bessere Versorgung von Erkrankten. Die enge Vernetzung mit SKM, Sozial-Psychiatrischem Dienst und Hospital führe auch dazu, im medizinischen Betrieb Ressourcen zu sparen. Denn die medizinische Versorgung von Borderline-Patienten sei aufwendig, bedingt durch das Krankheitsbild. In seinen Praxen gebe es mehrere Hundert Patienten mit dieser Störung pro Quartal. „Obwohl Borderline nicht häufiger als andere Erkrankungen ist, sind 15 Prozent unserer Plätze durch Borderline-Patienten belegt“, sagt er. „Das bindet an allen möglichen Ecken.“

Reinhild Wantia leitet beim Kreis Borken die Abteilung für Psychosoziale Gesundheit. Neu sei, dass man im Kreis Borken nun ein System geschaffen habe, bei dem die Akteure bei der Betreuung von Borderline-Patienten strukturell zusammenarbeiten.