Hilfe für Männer in Krisensituationen

BBV, Jochen Krühler / Sven Betz vom 19.12.2020
Wir danken dem BBV und dem Fotografen Sven Betz, dass wir den Bericht und das Foto hier übernehmen dürfen.

Andreas Böggering ist Männerberater beim SKM Bocholt. Zu ihm kommen Männer, die Krisen durchleben, aber auch welche, die ein Problem mit häuslicher Gewalt haben – als Täter. Der Beratungsbedarf wächst.

Andreas Böggering (49) ist der einzige Männerberater im Kreis Borken.FOTO: Sven Betz von Jochen Krühler

Andreas Böggering (49) ist der einzige Männerberater im Kreis Borken.FOTO: Sven Betz
von Jochen Krühler

Bocholt Der SKM in Bocholt verzeichnet einen wachsenden Bedarf an seinem Angebot an Beratungen speziell für Männer. Seit 2017 sei die Zahl der Beratungsgespräche kontinuierlich gestiegen, sagt Andreas Böggering. Der Diplom-Sozialarbeiter des SKM ist der einzige Männerberater im Kreis Borken. Das Besondere: Er bietet unter anderem Männern Hilfe an, die gegenüber ihren Frauen gewalttätig geworden sind.
In seinem Büro an der Friesenstraße führte Böggering im vergangenen Jahr 66 Beratungen durch – Tendenz steigend. 20 Mal ging es dabei um das Thema „Häusliche Gewalt“, 46 Mal um Krisensituationen wie Trennung, Scheidung oder Einsamkeit. Bereits jetzt sei absehbar, dass die Zahl der Beratungen im Jahr 2020 höher sein wird. Böggering führt das auch auf die Umstände der Corona-Pandemie zurück. „Das Thema Einsamkeit spielt bei Männern in den Beratungen oft eine große Rolle“, sagt der ausgebildete Männerberater. Und das sei im Krisenjahr 2020 verstärkt worden, weil viele Männer durch fehlende Sozialkontakte „auf sich selbst zurückgeworfen“ worden seien. Hinzu komm eine größere Unsicherheit durch Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes. Böggering: „Viele Männer identifizieren sich stark über ihre Arbeit.“
Ein Teil seiner Arbeit ist jedoch auch die Gewaltberatung. Sprich: Andreas Böggering hilft Männern, die ihre Frauen geschlagen haben, die also Täter geworden sind. „Täterarbeit ist auch Opferschutz“, stellt der 49-Jährige klar. Das bedeutet: Männern zu helfen, nicht gewalttätig zu werden, hilft letztlich den potenziellen Opfern. Gewalttätige Männer würden zwar bestraft, eine tatsächliche Arbeit mit ihnen finde aber selten statt. „Es ist aber wichtig, da Angebote zu geben.“
Zu ihm kommen sowohl gewalttätige Männer, denen von Gericht oder Polizei eine Gewaltberatung zur Auflage gemacht wurde, als auch sogenannte Selbstmelder. „Das sind Männer, die gemerkt haben, dass sie ein Problem mit Gewalt haben und das ändern möchten“, erklärt Böggering.
In solchen Beratungsgesprächen versucht Böggering, mit seinem Gegenüber an die Wurzel der Gewalttätigkeit heranzukommen. Das kann etwa bedeuten zu fragen, in welchen Situationen ein Mann gewalttätig wird. Wann läuft das Fass über? Was sind die Auslösebedingungen? Womit kann ich nicht umgehen? Ein erster Ansatz sei der Grundsatz: „Wenn nichts mehr geht, dann geh!“, erläutert Böggering. Das heißt: Männer sollten die Situation verlassen, bevor sie gewalttätig werden. Das könne bedeuten, einmal um den Block zu gehen oder Sport zu treiben.
Im Kern gehe es jedoch auch darum, Männern zu helfen, ihre Gefühle wahrzunehmen. Oder sich zugestehen zu dürfen, Schwäche zu zeigen. „Bei vielen gewalttätigen Männern gibt es eine große Hilflosigkeit oder Überforderung, aus der sich Gewalttätigkeit entwickelt“, sagt Böggering. Dabei dürften sie auch mal hilflos und überfordert sein. „Männer sind ja auch nur Menschen.“ Ein scheinbar banaler Satz, den sich Männer, die im Bewusstsein aufwuchsen, immer stark sein zu müssen, aber oft erst klarmachen müssten. „Der ein oder andere vergisst das manchmal.“
Die Gewaltberatung ist jedoch nur ein kleiner Teil der Männerberatung von Andreas Böggering. Zumeist würden Männer kommen, die Beratung in Krisensituationen bräuchten. Etwa bei einer Scheidung, wenn es darum geht, nach einer Trennung die Vaterrolle auszufüllen. Viele Männer kommen mit einem Gesundheitsproblem: Sie können etwa aufgrund einer Beeinträchtigung ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen – und plötzlich ist das Selbstwertgefühl weg. Oder es geht um Verluste und Trauerarbeit nach dem Tod der Ehefrau oder des Kindes.
Bei den oft ernsten und traurigen Themen seiner Beratungsgespräche überrascht Andreas Böggering mit dem Satz: „Wir lachen dabei auch sehr viel.“ Es gebe auch viel Spaß und Freude in seinen Beratungen, sagt der Diplom-Sozialarbeiter. Böggering: „Viele Männer haben einen guten, sarkastischen Humor.“