Gespräch über eine modellierte Skulptur in der Suchtarbeit
Skulptur SuchtarbeitWenn Sie auf die Figur schauen, was sehen Sie?
Meine Idee war, dass ich irgendwas darüber mache, dass ich mich alleine fühle. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Die Figur habe ich während meiner stationären Entwöhnungstherapie gemacht, ich war auch bei dem Erstellen alleine im Raum.
Erkennen Sie sich in der Figur wieder?
Ich sehe, wenn ich auf die Figur schaue den Tod. Damals war das mein größter Wunsch, mit nichts mehr was zu tun haben. Ich wollte Sterben, das habe ich auch mehrfach versucht, bin auf Intensivstation mehrfach aufgewacht. Von da aus bin ich dann in die Psychiatrie gekommen. Auch auf der Psychiatrie war ich noch sehr nah an der Todessehnsucht, ich wollte nur alleine sein, den ganzen Tag im Bett liegen, nur wenn ich angesprochen wurde, habe ich reagiert.
Das hört sich nach einer totalen Abwehrhaltung an.
Ich hatte keinen Kontakt zu anderen, das ging über drei Monate. Sport in der Klinik hat mir geholfen, mich wieder zu erleben, insbesondere der Mannschaftssport hat mir gutgetan, Wir haben Indiaca gespielt. Die Figur habe ich in dieser Zeit gemacht. Der unterste Kopf spricht mich besonders an, Kommunikation ist und war immer eine Schwachstelle von mir. Manchmal ist der Mund einfach zugenagelt, besonders in Konfliktsituationen. Ich kann den anderen dadurch bestrafen, dass ich nichts sage, damit kann ich andere in den Wahnsinn treiben. Meine Ex-Freundin hat das gehasst, ich konnte zwei Tage lang schweigen.
Können Sie dieses Verhalten mit ihrer Lebensgeschichte in Beziehung bringen?
Bei uns zu Hause wurde nie geredet, Vater und Mutter haben immer Machtworte gesprochen, und dann wurde funktioniert. Erst mit 14 habe ich Widerworte gegeben, war dann eher patzig.
Warum sind die Augen schwarz?
Die stehen für meine schwarze Seele, für Pein, Trauer, Leere, Aufgeben …. Ja das war damals schon ganz schön düster.
Warum haben sie Rosen zum Verschließen von Augen, Ohren und Mund gewählt?
Weiß ich auch nicht, auch jetzt habe ich keine Idee, vielleicht deswegen weil sie relativ leicht zu machen waren, es macht ja auch nicht ganz so dunkel.
Mir fallen die grünen Blätter und die Rosen auf.
Ein bisschen Optik musste noch dran. Ich bin gerne in der Natur, da habe ich das Joggen angefangen, irgendwas musste man ja machen. Ich erinnere mich noch an meine Jugend, wir waren immer mit der Clique draußen, das war eine schöne Zeit, im Gegensatz zu Hause fühlte ich mich draußen mit der Clique wohl. Auch wenn das Miteinander aus Rauchen und Saufen bestand. Erlebt habe ich Kameradschaft, wir waren aufeinander eingeschworen. Wir verbrachten unsere gemeinsame Zeit in der Natur. Ich habe damals Blätter gesammelt und Formen damit ausgedrückt.
Den Schädel habe ich so eckig gemacht, weil er an das mexikanische Todesfest erinnern sollte. Die feiern den Tod, genauso bringen sie Tod und Leben zusammen.
Wie sehen Sie den mittleren Kopf?
Wie einen Roboter, wie eine Maske.
Kennen Sie ähnliche Zustände bei sich?
Ich hatte immer eine gute Fassade, Probleme hatte ich immer, habe mir nie was anmerken lassen. Die Problemfelder waren Stress, Leistung, Arbeit und die Beziehung zu den Eltern. In meiner Fassade war ich zu Hause und auf der Arbeit immer ein Ja Sager, wenn mich jemand fragte, wie es mir ginge, habe ich immer gesagt, “alles gut“. Und dann ging es auf einmal ganz schnell in die andere Richtung, auf 55 Kilogramm runtergehungert, Krämpfe. Meine Freunde haben es schon viel früher gemerkt, „Du musst kürzer treten“ haben Sie gesagt. Ich brauchte noch 5 Jahre, dann kam der Zusammenbruch. In meinem Leben gab es zu der Zeit immer nur Arbeit, Meine Eltern haben das nicht erkannt, bis zum Schluss nicht. Dann Panikattacken, Kieferflattern, Zittern, schon auf den Weg zur Arbeit bekam ich die körperlichen Symptome.
Bis heute habe ich das Gefühl, dass ich in einer Hülle lebe, immer eine Fassade habe. Nur in den Gruppenterminen und im Einzelgespräch beim SKM, und bei ganz wenigen Freunden, fühle ich mich echt. In der Gruppe zu reden ist immer eine Überwindung, ist sehr viel mit Scham behaftet, ich fühle ein ziemliches Versagen.
Spüren Sie jetzt Traurigkeit?
Angenehm ist es im Moment jedenfalls nicht, aber es ist gut, diese Dinge auszusprechen.
Was ist das Schlimmste?
Das Hilfe annehmen müssen, ich war immer der Stärkste, von mir wurde immer gefordert, dass ich Lösungen präsentiere und bis heute kann ich mich gut um die handwerklichen Probleme anderer kümmern, für die finde ich immer Lösungen. Hilfe annehmen ist hingegen sehr schwer.
Der oberste Kopf lacht, ist nicht ganz so düster. Es wird heller. So sollte es sein. Der Kopf steht für Hoffnung, für einen Neuanfang.
Wann wäre es für Sie nicht ganz so düster?
Wenn ich mehr hören, mehr sehen, mehr reden könnte. Offener an die Sache rangehen, mehr genießen können, nicht immer verkrampft sein.
Was müsste bei dem Neuanfang gelingen, wann wäre es gut?
Dass weiß ich auch nicht. Mein Zittern müsste weg sein, die Angst verlieren, nicht immer auf die Zähne beißen müssen.