Gespräch mit einem Spielsüchtigen

Es ging ganz unbewusst bereits im Alter von 14, 15, 16 los. Nicht unweit meiner damaligen Schule befand sich eine Tipico-Filiale und in den Pausen ging ich mit Freunden dorthin und verspielte ein paar Euro. Nach meinem Ausweis wurde ich fast nie gefragt!

Bis zu einem Alter von 20 oder 21 Lebensjahren war mein Spielverhalten unproblematisch, gelegentliche Casino-Besuche und Sportwetten brachten Reiz und tatsächlich auch ab und an ganz lukrative Gewinne.

Nach einem großen Gewinn mit einer Sportwette fühlte ich mich quasi unbesiegbar und erhöhte meine Spielaktivität nicht nur bei Sportwetten, sondern auch an Automaten. Wie ich jetzt in der Therapie erfahren habe, hat mein Suchtgedächtnis über all die Jahre lediglich die positiven Erlebnisse aus dieser Zeit (Gewinne und Reiz) gespeichert und immer wieder danach verlangt.

Dadurch fing ich an, andere Pflichten zu vernachlässigen und mein Leben immer mehr auf das Spielen auszurichten. Das lief dann knapp 2 Jahre so, wenn Geld zur Verfügung stand, habe ich es größtenteils verspielt.

Ich wurde sehr erfinderisch und spielte vielen Leuten, auch Freunden und Familie, etwas vor, wenn es um meine Finanzen ging. Mit ca. 23 Jahren ging ich dann zum ersten Mal zum SKM und war im Anschluss 1 Jahr spielfrei. Nach einem Rückfall ging ich erneut zum SKM.

Problematisch wurde mein Spielen ab dem Zeitpunkt, als ich alleine zocken gegangen bin. Natürlich habe ich da schon bemerkt, dass ich ein Problem habe und es mir schwerfiel, mit dem Zocken dann aufzuhören. Doch ich habe es versucht auszublenden, ich wollte es einfach nicht wahrhaben.

Ca. 1,5 Jahre habe ich gebraucht, um mir professionelle Hilfe zu suchen. Wirklich unschöne Erinnerungen, obwohl ich wusste, dass beispielsweise nur noch 150 Euro für die restlichen 7 Tage des Monats da waren, habe ich dieses Geld verspielt.

Für Außenstehende sicherlich ein nicht greifbares Verhalten. Aber beim Spiel selbst konnte ich abschalten und die negativen Konsequenzen ausblenden.

Irgendwann habe ich dieses Leben mit all den Lügen nicht mehr ausgehalten. Außerdem klaute ich meinen Eltern mehrfach Geld. Spätestens da wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Glücklicherweise habe ich im Gegensatz zu vielen anderen Spielern keine Schulden aufgenommen.

Mir Hilfe zu suchen, kostete mich große Überwindung, was die lange Zeit bis dahin ja auch verdeutlicht. Aber schon nach wenigen Gesprächen merkte ich, dass es die richtige Entscheidung war.

Meine Eltern haben mich glücklicherweise in meinem Vorhaben der Therapie unterstützt und keine allzu großen Vorwürfe gemacht, da sie es als Suchterkrankung akzeptiert haben. Trotzdem war es natürlich ein großer Vertrauensbruch.

Die Therapie hilft mir, all das Erlebte rauszulassen, darüber zu sprechen und zu thematisieren, das tut gut, das ist befreiend, aber auch anstrengend. Auch die Gruppentherapie ist sehr hilfreich, zu wissen, es gibt Andere mit einer ähnlichen Problematik, sich auszutauschen und zu helfen, ist wichtig.

Ich habe mich zudem für jegliche Glücksspieltätigkeiten im Onlineregister OASIS sperren lassen.   Man sollte damit überall gesperrt sein, online ist das auch der Fall, allerdings ist meine Erfahrung, dass nach wie vor in Spielhallen nicht immer der Ausweis kontrolliert wird. Es gibt also noch Wege, trotz Sperre zu zocken..

Die Sucht ist nicht zu unterschätzen. Sie kann Existenzen zerstören. Wenn ihr merkt, ihr habt ein Problem damit oder fangt an, Anderen was vorzumachen, dann sprecht offen darüber mit engen Verbündeten oder in einer Anlaufstelle. Steht dem Thema offen gegenüber, ansonsten kann es euch von innen kaputt machen!


Der Glücksspielmarkt in Deutschland ist mit einem Umsatz von rund 38 Mrd. Euro pro Jahr riesig. Viele Deutsche zocken unproblematisch und gelegentlich, doch die ca. 430.000 pathologischen Glücksspieler, welche die Hauptantreiber dieses Umsatzes sind, sind die Leidtragenden des Marktes.

Glücksspielsucht kann ganze Familien ruinieren und Existenzen jeglicher Gesellschaftsschicht vernichten.

Die Entwicklung am Spielemarkt ist hochdynamisch und wird auch in anderen Teilen Europas mit großen Sorgen verfolgt. Vor dem Hintergrund, dass der Anteil der jungen Menschen, die um Geld spielen in den letzten 2 Jahren um 43% gestiegen sei, hat z.B. der flämische Justizminister ein komplettes Werbeverbot für Glücksspiele angeregt. Er fordere dies auch, so der Minister, weil 40 % der Gewinne von Glücksspielunternehmen von Spielsüchtigen generiert werden.  Hierzu muss man wissen, dass diese Initiative in erster Linie auf den Profisport zielt. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile keinen Bundesligaverein mehr, der nicht einen Werbevertrag mit der Spielindustrie geschlossen hat. Der DFB hat gerade die auslaufenden Verträge mit Sportwettenanbietern verlängert und ausgebaut – und begründet dies damit, dass er als gemeinnütziger Verein ohne staatliche Förderung ja irgendwie an Geld kommen müsse. Während 2014 der Branchenumsatz bei Sportwetten noch bei 4,5 Mrd. Euro lag, schnellte er bis 2019 auf 9,3 Mrd. hoch, parallel erreichte der Anteil von Menschen mit problematischem Spielverhalten neue Höchstwerte. Es bedarf nicht viel an Fantasie, um zu verstehen, dass Mitglieder von Sportvereinen zu den primären Zielgruppen der Sportwettenanbieter gehören.

Gleichzeitig gibt es einen Trend, dass die Glücksspielindustrie ihre Produkte immer stärker so im Internet platziert, dass es für Nutzerinnen und Nutzer schwerer wird, präzise und schnell den Glücksspielcharakter zu identifizieren. So liegen mittlerweile Glücksspielelemente in Videospielen und Geschicklichkeitsspiele in klassischen Glücksspielen im Trend, die Formen vermischen sich, vieles wird diffuser, die Grenze zum erlaubnispflichtigen Glücksspiel wird vernebelt. Es geht um die Normalisierung von Glücksspielinhalten bei erschwerter Selbstkontrolle. Der finanziell kontinuierlich steigende Markt spricht für den Erfolg der Strategie der Glücksspielindustrie.