Eindrücke aus der Männerberatung (Andreas Böggering)

In der Regel kommen Männer zu mir in die Beratung, wenn sie in einer schwierigen Lebenssituation sind. In einer Krise sind. KRISE? Viele Männer nehmen diese Krise gar nicht als Krise war. Denn wer ist schon gerne in einer Krise? Und überhaupt: haben wir nicht alle die Schnauze voll von der Krise!? Wirtschaftskrise, Gesundheitskrise, Ökologische Krise, Glaubenskrise… All das reicht im Grunde genommen schon! Und bei alledem soll ich noch eine eigene, ganz individuelle Lebenskrise haben…!?

Zunächst geht es darum, die eigene Krise wahrzunehmen und anzunehmen. „Mann“ darf in einer Krise sein und bleibt dennoch männlich. In einer Krise werde ich mit Ereignissen und Lebensumständen konfrontiert, die ich im Augenblick nicht bewältigen kann. Meine bisherigen Bewältigungsstrategien laufen ins Leere. Ich habe keinen klaren Blick mehr auf die Dinge, auf die Ereignisse. Auf das, was um mich herum und in mir passiert. Ich kann das alles nicht mehr einordnen. Mir fehlen dann die Worte. Ich verfalle in einer Art Starre. Ich wünsche mir Hilfe und ich möchte mich schützen. Und dann gibt es auch Momente, in denen ich staune, über das, was gerade geschieht…

Krisen sind natürlich und gehören dazu. Ohne Krisen kann die Natur, alles Leben nicht dauerhaft überleben. Und auch wir Männer sind ein Teil des großen Ganzen und können nur überleben, wenn wir unsere Krisen annehmen und in angemessener Art und Weise darauf reagieren. Bei den zunehmenden Herausforderungen, Erwartungen, nicht planbaren Entwicklungen und katastrophalen Ereignissen sind individuelle Krisen sogar vorprogrammiert und notwendig. „Besondere Situationen verlangen besondere Verhaltensweisen.“

In einer Krise werden meine Grundbedürfnisse nicht erfüllt. Ich fühle mich „unzufrieden“, vielleicht sogar bedroht. Meine Unzufriedenheit zeigt sich in unterschiedlichen GEFÜHLEN und den damit verbunden Verhaltensweisen. Männer neigen dazu, alles mit sich selbst auszumachen. „Denn Selbst ist der Mann. Alles, was von selbst kommt, geht auch wieder von selbst weg.“
Aus der Krise heraus führt nur ein Weg: Der Pfad der eigenen Gefühle und Bedürfnisse, der allerdings auf vielen männlichen Landkarten nicht verzeichnet ist…

Für Männer sind Gefühle ein schwieriges Thema. Die Wahrnehmung, Unterscheidung und Akzeptanz von Gefühlen sind häufig unbekannte Länder. Diese unbekannten Länder dann zu beschreiben, ist schon abenteuerlich.

In der Krisenberatung geht es darum, diese abenteuerliche Reise mit einem Fremdenführer anzutreten. Die passende persönliche Ausstattung zusammen zu stellen, zu erproben, das Abenteuerland zu durchstreifen und zu erleben. Während der Reise lassen sich eine Vielzahl von Gefühlen entdecken. Besonders „weiche“ Gefühle wie Scham, Angst, Trauer und Hilflosigkeit sind herausfordernd und wirken gefährlich, da sie nicht dem stereotypischen Männerbild entsprechen.

Zur persönlichen Grundausstattung gehören mehr „kraftvolle“ Gefühle wie, Stolz, Freude und Wut. Wenn Gefühle auftauchen, die nicht verarbeitet werden können, werden sie in der Regel abgewehrt und beiseitegelegt. Zu den Abwehrmechanismen zählen insbesondere Schweigen, Konfliktvermeidung, Rationalität, Gewalt, Sucht und Selbstdarstellung.

Die große Chance in der Krise liegt darin, seine bisherige Lebensweise, seine Ziele, Wünsche und Bedürfnisse zu hinterfragen und auf dem aktuellen Stand zu bringen. Hierbei ist es vorteilhaft einen anderen Mann an seiner Seite zu haben, der einen aus einer vorurteilsfreien Haltung begleitet und unterstützt.