Stabilität trotz Borderline – Mütter finden Hilfe beim SKM Bocholt

Wir danken dem Internet Stadtmagazin Made in Bocholt, dass wir diesen Bericht hier übernehmen dürfen.

Begleiter für emotional instabile Menschen: Sozialarbeiter Markus Büsken, SKM-Geschäftsführer Berthold Tenhonsel, Psychologin Sandra Büdding und Sozialarbeiterin Stefanie Wegner (von links). Foto: Carolin Kronenburg / Caritasverband für die Diözese Münster

Begleiter für emotional instabile Menschen: Sozialarbeiter Markus Büsken, SKM-Geschäftsführer Berthold Tenhonsel, Psychologin Sandra Büdding und Sozialarbeiterin Stefanie Wegner (von links). Foto: Carolin Kronenburg / Caritasverband für die Diözese Münster

„Entweder ich bringe mich um oder ich bekomme ein Kind.“ Diese beiden Optionen hat Lea (Name geändert) im Alter von 17 Jahren gesehen. Heute ist sie 30, hat drei Kinder und eine diagnostizierte Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Hilfe und Hoffnung gibt ihr die Gruppe für Borderline-Mütter beim SKM Bocholt.

Mit zwölf Jahren kam Lea in den falschen, teils kriminellen Freundeskreis, nahm Drogen, war komplett abgedriftet. Sie litt unter chronischer Migräne und Depressionen, hat sich selbst verletzt. „Meine Eltern haben nie gesehen, wie ich mir die Arme und Beine aufgeschnitten habe“, erinnert sich Lea. Als sie mit 17 schwanger wurde, ist sie zu Hause rausgeflogen. Der spielsüchtige Kindsvater ist noch vor der Geburt aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. „Da saß ich dann allein mit meiner Tochter.“

Es folgten weitere toxische Beziehungen und zwei Kinder von zwei Männern. Nach hohem Alkoholkonsum und Abstürzen an kinderfreien Party-Wochenenden hat Lea 2019 Hilfe gesucht und bei der Familienberatung des SKM gefunden. Dort werden zurzeit 48 Klientinnen mit Borderline-Problematik beraten, darunter 20 Mütter mit insgesamt 35 Kindern.

Einzelfallberatungen, aufsuchende Hilfen sowie eine intensive Begleitung im häuslichen Umfeld gehören zum Unterstützungsangebot, das von einem dreiköpfigen, multiprofessionellen Team getragen wird: Projekt-Koordinator, Sozialarbeiter und Familientherapeut Markus Büsken, Psychologin und Psychotherapeutin Sandra Büdding sowie Sozialpädagogin und die angehende Therapeutin Stefanie Wegner. Gemeinsam treiben sie den Aufbau eines verlässlichen ambulanten Versorgungssystems für emotional instabile Klientinnen im ländlichen Raum voran.

Denn die Versorgungssituation für Menschen mit emotionaler Instabilität bleibt laut Büsken – sowohl medizinisch-psychiatrisch als auch sozialarbeiterisch – deutlich hinter der für andere psychische Erkrankungen zurück. Zugleich handele es sich keineswegs um eine Randgruppe: Rund eine Million Menschen in Deutschland leben mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung; überwiegend Frauen zwischen Jugendalter und mittlerer Lebensphase.

„Da medikamentöse Unterstützung allein keine nachhaltige Stabilisierung gewährleistet, ist ein gut vernetztes, multiprofessionelles Angebot unverzichtbar“, betont Büsken. Ziel sei es, die Versorgung emotional instabiler Menschen im Kreisgebiet entscheidend zu verbessern. Dafür kooperiert der SKM mit dem Gesundheitsamt des Kreises Borken, dem St. Vinzenz Krankenhaus Rhede und dem ZNS-Zentrum für neurologische und seelische Erkrankung.

„Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung fühlen Emotionen sechs- bis achtfach stärker als der Durchschnitt“, erklärt Psychologin Büdding. Massiv einschießende Gefühle gehören ebenso zum Krankheitsbild wie Selbstverletzungen – und auch die Kinder bleiben davon nicht unberührt, da die Erkrankung auf das gesamte Familiensystem ausstrahlt.

Um dem entgegenzuwirken, arbeiten Büdding und Büsken in der Gruppentherapie gezielt mit den Müttern daran, ihre emotionalen und psychischen Fähigkeiten zu stärken und gleichzeitig die Beziehungen zu ihren Kindern zu fördern. „Im Fokus stehen dabei sowohl der Umgang mit eigenen Emotionen, Stressbewältigung und Selbstfürsorge als auch kindliche Grundbedürfnisse, Erziehung und gelingende Kommunikation“, so Büdding.

Sozialarbeiter Markus Büsken im Beratungsgespräch; Foto: Carolin Kronenburg / Caritasverband für die Diözese Münster

Sozialarbeiter Markus Büsken im Beratungsgespräch; Foto: Carolin Kronenburg / Caritasverband für die Diözese Münster

Besonders wichtig ist auch der Austausch untereinander. „Es ist schön, zu erfahren, dass es andere Menschen wie mich gibt. Man fühlt sich nicht mehr so allein“, sagt Lea. Ihr großer Wunsch: auf lange Sicht stabil bleiben. „Ich bin jetzt auf einem guten Weg“, betont die 30-Jährige. Diesen Weg gehen die Mitarbeitenden vom SKM verlässlich mit und versuchen ihn mit Hilfe der Aktion Lichtblicke auch für andere emotional instabile Menschen zu ebnen.